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Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)

Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)

Titel: Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)
Autoren: Michael Frayn
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winkte einem jungen Mann zu, der niedergeschlagen aus einem Fenster von Epiktet blickte. »Wie ich ein Brite. Chris Binns, unser Writer-in-residence … Chris, würden Sie mir einen Gefallen tun? Morgen, wenn nach dem Vortrag Fragen gestellt werden dürfen und niemand der erste sein will, wollen wir kein schreckliches Schweigen. Werden Sie sich eine Frage überlegen?«
    »Eine Frage?« sagte Chris Binns. Er schien das Wort noch nie gehört zu haben.
    »Irgend etwas«, sagte Nikki. »Zu seiner Arbeit. Wie es mit den Aussichten internationaler Kontrolle steht. Was immer. Ihnen wird schon was einfallen. Sie sind Schriftsteller. Um den Ball ins Rollen zu bringen … Nach dem Vortrag. Sie kommen morgen doch zu dem Vortrag?«
    »Klar«, sagte Chris. »Natürlich. Absolut.«
    »Er ist so in seine Arbeit vertieft!« flüsterte Nikki Dr. Wilfred zu, als sie ihren Weg fortsetzten. »Er wusste nicht mal, dass Sie morgen einen Vortrag halten werden.«
    »Vielleicht vergisst er bei Ihrem Anblick alles andere«, stellte sie sich vor, dass Dr. Wilfred sagte. Sie lachte. »Aber, aber!« sagte sie. Er war charmanter, als sie angenommen hatte. Und jetzt war er auch um einiges jünger und schlanker geworden.
    »O Gott, Nikki«, sagte eine ältere Dame, die sich mit einem kleinen, mit Eau de Cologne getränkten Spitzentaschentuch die Stirn betupfte, als sie in der Nähe des Aphrodite-Brunnens an ihr vorbeikamen, »Sie sehen immer aus, als wären Sie gerade einer Deo-Werbung entsprungen. Ich weiß nicht, wie Sie das machen.«
    »Ich denke erfrischende Gedanken, Mrs. Comax«, sagte Nikki.
    Die erfrischenden Gedanken bestanden darin, dass sie für das Funktionieren der Stiftung auf ebenso dezente Weise notwendig war wie das Wasser in den vergrabenen Leitungen und der geheimnisvolle Geldfluss durch die Bilanz. Sie wollte das nicht zu Dr. Wilfred sagen, aber wahrscheinlich sah er es selbst. Vor allem als sie einen kleinen Umweg hinter die Kulissen mit ihm machte. Abgeschirmt von dichtem Gebüsch befand sich dort nicht eine Welt traditioneller Steinhäuser, benannt nach Philosophen und Dichtern, sondern von namenlosen Fertighäusern.
    »Hier wohnt das Personal«, erklärte sie. »Würden Sie einen Moment hier warten? Ich muss einen Blick in die Küche werfen.«
    »Was denn jetzt ?« rief Yannis Voskopoulos, der Chef de cuisine, über das Geklapper von rostfreiem Stahl auf rostfreiem Stahl und dem Krach der Dunstabzugshauben und dem endlosen levantinischen Popgeheule der Frau im Radio. »Ich weiß nicht, was Sie mir jetzt noch sagen wollen, was Sie mir nicht schon gesagt haben! Zweimal! Und wir haben es gemacht. Zweimal!«
    Ein paar der weißgekleideten Gespenster blickten von Herden und Arbeitsflächen auf und winkten ihr freundlich mit Schöpfkellen und Hackbeilen zu. Andere blickten auf und erkannten sie nicht.
    »Aber diese neuen Leute, Yannis«, sagte sie, nicht in Griechisch, sondern in amerikanischem Englisch, denn Yannis hatte in Amerika gearbeitet und wollte die Sprache üben. »Die Leute von der Agentur. Haben Sie ein Auge auf sie?«
    »Ich habe ein Auge auf alle, Nikki. Auf alles und jeden. Genau wie Sie.«
    »Letztes Jahr haben Sie koscher vergessen.«
    »Nikki, wollen Sie koscher sehen? Schauen Sie – koscher. Halal. Diabetisch. Vegetarisch. Glutenfrei, nussfrei, salzlos. Vegetarisch koscher. Diabetiker-Halal. Glutenfrei diabetisch. Salzlos, nussfrei vegetarisch. Raus hier, Nikki!«
    »Und ohne Zwiebeln?«
    »Ohne Zwiebeln ?«
    »Salzlos und ohne Zwiebeln! Für den Gastredner! Ich habe es Ihnen doch gesagt!«
    Yannis schaute zur Decke und wischte sich dann das Gesicht mit dem Küchentuch ab, das er mit sich trug. Er seufzte. »Als ich ein Kind in Piräus war, gab’s nur zwei Sorten Essen«, sagte er. »Essen und kein Essen.«
    »Verstehen Sie jetzt, warum ich alles kontrolliere?« sagte Nikki.
    Sie kehrte zu ihrem imaginären Dr. Wilfred zurück und ging mit ihm zu Parmenides, dem leger luxuriösen Gastquartier, in dem er wohnen würde. Als sie den Hang hinaufschlenderten, sah sie ihm an, dass er bereits beeindruckt war. Als sie eintraten und sie die Fensterläden öffnete, um den Blick auf den großartigen Bogen der Bucht, die aufgetürmten Kumuluswolken am Horizont und die schaukelnden Fischerboote am Kai freizugeben, glaubte sie zu hören, wie er den Atem anhielt. Gut, dass er das alles jetzt schon sah – es wäre wahrscheinlich dunkel, wenn er tatsächlich ankäme.
    Sie überprüfte die Klimaanlage, goss Wasser in die Vasen
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