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Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)

Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)

Titel: Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)
Autoren: Michael Frayn
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Zuckerschlecken. Er musste auf seinen Blutdruck aufpassen. Er hatte eine heftige Allergie gegen Zwiebeln entwickelt. Er litt womöglich an der Neigung, sich selbst zu ernst zu nehmen.
    Und auch an diesem offenbar unheilbaren Hang, mit einem Glas Champagner in der Hand im Flugzeug zu sitzen in Erwartung weiterer kräftezehrender Annehmlichkeiten und Schmeicheleien.

3
    Nikki schlenderte über das grüne Gelände der Stiftung, spazierte die gewundenen Pfade über die Hügel hinauf und hinab, blickte auf die Bucht und die hochgetürmten Sommerwolken hinaus. Das Licht wurde weicher, während der Nachmittag in den Abend überging. Ein Hauch von Gold lag in der Luft.
    Sie liebte diesen Ort. Alles war so im Einklang mit sich selbst, so fein ausbalanciert wie das Werk einer guten Uhr oder die Natur selbst. Das Netz aus Leitungen und Sprinklern, das alles zum Ergrünen brachte, war dezent verborgen. Ebenso der Geldfluss, der die Sprinkler in Betrieb hielt. Es war eine vollständige Welt, ein Miniaturmodell der europäischen Zivilisation, die zu befördern es ins Leben gerufen worden war, und sie spürte nahezu, wie es auf ihrer Handfläche stand und sein Uhrwerk leise arbeitete. Das einzige Rädchen der Maschinerie, das ein bisschen klemmte, das die Uhr ein bisschen ungenau gehen ließ, verbarg sich hinter den geschlossenen Fensterläden von Empedokles, dem Haus hoch oben über allen anderen, in dem sich der ausgemergelte und schwächelnde Direktor versteckte. Aber vielleicht nicht mehr lange …
    Aus den Fischerhütten am Strand, in denen keine Fischer mehr wohnten, aus den Suiten in den Bungalows, die zwischen den Bäumen auf der zur Stiftung gehörenden Landzunge versteckt waren, aus Leukippos und Anaximander, aus Xenokles, Theodektes, Menandros, Aristophanes und Antiphanes strömten mehr und mehr Gäste der Hausparty auf der Suche nach Speisen und Getränken. Zwei Stunden waren vergangen, seitdem sie zum letztenmal gefüttert und mit Drinks versorgt worden waren.
    Sie stellte sich vor, sie würde alles zum erstenmal sehen, so wie es Dr. Wilfred bald sehen würde. Wie würde er es empfinden, verglichen mit all den anderen Stiftungen und Instituten auf der Welt, in denen er gesprochen hatte? Sie stellte ihn sich an ihrer Seite vor, wie er sich beifällig umsah und zuhörte, während sie ihm alles erklärte. Vielleicht war er ein sympathischerer Mensch, als sie gedacht hatte, während sie seinen Lebenslauf umschrieb. Er war es, sie spürte es. Er war jemand, mit dem man reden konnte.
    »Die meisten unserer Gäste sind aus den Vereinigten Staaten«, hörte sie sich zu ihm sagen, ihre Worte so unhörbar, wie er unsichtbar war. »Sie sind natürlich alle schrecklich reich, sonst wären sie nicht hier. Aber sie sind auch fürchterlich nett, sonst würden sie sich nicht für das interessieren, was wir tun.«
    Sie winkte einem ältlichen lächelnden Paar mit Apfelbäckchen zu. »Hallo!« rief sie. »Oh, Nikki, Liebes«, rief die Frau, »wir fühlen uns so wohl! Das haben wir natürlich Ihnen zu verdanken! Und wir wissen, dass Sie uns morgen einen Leckerbissen servieren werden!«
    »Mr. und Mrs. Chuck Friendly«, murmelte Nikki dem körperlosen Leckerbissen neben sich zu. »Soweit ich weiß, sind sie das zweitreichste Paar im Staat Rhode Island. Seitdem es die Hausparty gibt, kommen sie jedes Jahr nach Skios. Süß! Die meisten Gäste sind Paare, andere hoffen, eins zu werden, also Vorsicht!«
    Zwei Männer schlenderten nachdenklich in dem Schatten, den der Tempel der Athene warf. Einer nahm die Pfeife aus dem Mund und hob sie ihr entgegen wie ein Glas Wein, der andere grüßte mit gefalteten Händen.
    »Alf Persson«, erklärte sie Dr. Wilfred, »der schwedische Theologe. In der theologischen Welt ist er, glaube ich, ziemlich bekannt. Und V. J. D. Chaudhury, die große Autorität für komparative Unterentwicklung. Zwei unserer embedded Intellektuellen. Wie Sie sehen, sind Sie nicht der einzige berühmte Gast!«
    Sie gingen über die antike Agora, auf der Männer Tische, vergoldete Stühle, Teppiche und Leinenballen von elektrischen Lieferwagen luden. »Dieser Steinboden ist dreitausend Jahre alt«, ermahnte sie den Vorarbeiter. »Sorgen Sie dafür, dass die Teppiche ausgelegt sind, bevor irgend etwas aus Metall den Boden berührt.«
    An Dr. Wilfred gewandt fügte sie bescheiden hinzu: »Mein Griechisch ist auch nach fünf Jahren noch immer etwas rudimentär … Oh, und da ist noch einer unserer embedded Intellektuellen.« Sie
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