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Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)

Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)

Titel: Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)
Autoren: Michael Frayn
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Gepäckanhänger aus rotem Leder in dem Meer aus Schwarz herausstach; auch das die Frucht langjähriger Erfahrung. Was ihn an seine Tasche und den darin befindlichen Vortrag erinnerte. Er sah nach. Ja, sicher verstaut zwischen seinen Beinen, wo er sie spürte, während er sein Handy einschaltete, um herauszufinden, was für lästige Anfragen an ihn herangetragen worden waren, während er sich in der Luft befand.
    Fünf Mails und sieben SMS. Würde er in Betracht ziehen …? Nein, würde er nicht. Würde er einen Vortrag halten auf einer Konferenz … – nein …! – auf Hawaii? O Gott, schon wieder Hawaii. Na ja, vielleicht. Würde er schreiben, teilnehmen, lehren, begutachten …? Nein … ja … vielleicht … Nichts, was Vicki nicht beantworten könnte. Außer einer Mail von Vicki selbst. Wollte er auf den Anhang reagieren? Der sich als Rückblick auf sein Werk entpuppte in einer Zeitschrift aus Manitoba, von der er noch nie gehört hatte, und der absolut lächerlich war. Der Verfasser war unfähig aufgrund von Dummheit und Ignoranz, motiviert von Gehässigkeit und wusste nicht, was »objektiv« bedeutete. Er dachte nicht einmal im Traum daran, darauf zu reagieren.
    Er wollte das Handy gerade in die Tasche zurückstecken, als ihm plötzlich ein Satz des Artikels einfiel. »Dr. Wilfreds vollkommen mystischer Glauben an die Vernunft …« Er stellte das Telefon wieder an. Seine Finger begannen sich nahezu aus eigenem Antrieb zu bewegen. »Normalerweise ist es unter meiner Würde, auf eine uninformierte Schmähung dieser Art überhaupt zu antworten«, tippte er, »aber …« Seine Daumen flogen über die Tastatur wie fleißige Tauben, die Samenkörner aufpickten. Seine Erwiderung war auf mühelose Weise autoritativ, auf angenehme Weise amüsant und total vernichtend.
    Selbst in der vollen Gepäckausgabehalle eines fremden Flughafens war er ein Meister seiner Kunst.
    Nikki Hook griff sich hinten an die Bluse, um sich zu vergewissern, dass sie noch in ihrem Rock steckte, dann fasste sie sich ans Haar, um zu überprüfen, dass es nicht von der Klimaanlage des Wagens zerzaust worden war. Sie sah durch die Glasscheibe, wie die Fluggäste aus der Passkontrolle kamen und sich um die Gepäckausgabe drängten wie ungeduldige Schweine um einen leeren Trog. Um sie herum standen ungefähr zwanzig Personen, die Klemmbretter mit Listen in der Hand hielten und ebenfalls warteten. Taxi- und Limousinenchauffeure, Mitarbeiter von Reisebüros. Manche der Frauen von den Reisebüros waren gebräunt und blond, aber keine war so leicht gebräunt und so dezent blond wie Nikki, und auch die, die wie sie in den Dreißigern waren, gingen nicht so diskret damit um wie sie. Alle diese Menschen, jung und alt, hatten ihre eigenen Meinungen und Erinnerungen, ihre geheimen Schwächen und trafen ihre eigene Auswahl an Unterwäsche. In ihren eigenen Augen, in den Augen von Freunden, Frauen, Kindern und Enkelkindern, von Arbeitgebern und Kollegen waren sie alle zweifellos, wer immer sie waren. Aber nur Nikki Hook, dachte sie unwillkürlich ganz hinten in ihrem Kopf, war Nikki Hook.
    Doch es war wie immer ein etwas angespannter Augenblick. Sie stellte sich eine Schauspielerin vor, die an einem Premierenabend hinter der Bühne auf ihren Auftritt wartete. Nicht unbedingt die Hauptdarstellerin, aber dieser lange Moment des Wartens auf ihren Einsatz, des wiederholten Überprüfens, ob sie sich an ihren ersten Satz erinnerte, war für sie genauso lang wie für die Hauptdarstellerin. Und es gab keine Möglichkeit, noch einmal ihren gesamten Text durchzugehen. Sie konnte nicht vorhersehen, wie die schwankungsanfällige Kombination von ihr und ihren Schauspielerkollegen, von Text und Bühnenbild, von Publikum und Augenblick ausfallen würde.
    Zweifellos hatten alle Gastredner, die sie Jahr für Jahr abgeholt hatte, ähnlich empfunden. Andererseits mussten sie nicht sie bezaubern und beweihräuchern, sondern sie musste sie bezaubern und beweihräuchern. Einige von ihnen konnten eine beträchtliche Menge Bezauberung und Beweihräucherung absorbieren, ohne dass es etwas brachte.
    Auf der anderen Seite der Scheibe erklang ein Hupen. Das Förderband setzte sich in Bewegung. Eine Reihe uneinheitlicher schwarzer Formen brach sich aus der Außenwelt einen Weg durch die Gummiklappen wie schwankende Cowboys durch die Türen eines Saloons. Die Passagiere drängten ungeduldig nach vorn, um sie willkommen zu heißen.
    Die wartenden Chauffeure und Reisebüromitarbeiter um
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