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Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)

Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)

Titel: Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)
Autoren: Michael Frayn
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und so taten, als wären sie Georgie.
    Er würde also die nächsten vierundzwanzig Stunden allein in einem tristen Haus sitzen, in dem es bestimmt Kakerlaken und keine funktionierenden sanitären Anlagen gab. Das hieß, falls die Besitzer nicht vergessen hatten, wie versprochen ein Taxi zu schicken. Wahrscheinlich hatten sie es vergessen. Und wahrscheinlich hatte er nicht daran gedacht, sich irgendwo die Adresse zu notieren. Er säße also nicht in einem Haus – er säße hier im Flughafen fest. Morgen würde Georgie dann wieder den Flug versäumen, oder der Flug wäre ausgebucht. Es sich anders überlegen und überhaupt nicht kommen.
    Er hätte sich nicht darauf einlassen sollen. Er hätte mit seinem Medizinstudium anfangen sollen. Er hatte einen Kloß im Hals, als wäre er acht Jahre alt und müsste wieder in die Schule. Ein ganzer Tag – zwei Tage – eine Woche – ein Semester erstreckten sich vor ihm, ohne Gesellschaft abgesehen von den Kakerlaken und einer unsichtbaren Mailbox, die immer nur das halbe Dutzend Worte zu sagen hatte.
    Und ihm selbst, dem offenbar unentrinnbaren Oliver Fox. Es war komisch. Alle fanden es ganz toll, Oliver Fox zu sein. Alle außer ihm.

7
    Es war ein Beispiel dafür, dass die Hoffnung immer wieder über die Wahrscheinlichkeit triumphierte, dachte Nikki und versuchte die Haut um Mund und Augen locker und vergnügt aussehen zu lassen. Wann immer man auf jemanden wartete und nicht genau wusste, wie er aussah, schien jeder die bewusste Person zu sein. Väter mit kleinen Kindern. Großväter in geschmacklosen kurzen Hosen. Sogar Frauen … Dicke Frauen … Noch dickere Frauen … Nur für einen Moment, wenn ein Fluggast aus der Gepäckausgabe kam und zunächst nicht wusste, wohin er sich wenden sollte, bemühte sich Nikki, ihren Charme spielen zu lassen. Dann entdeckte er ein bekanntes Wort – »Polkinghorne«, »Whispering Surf« –, hob einen Finger, um sich zu erkennen zu geben, und hatte keinerlei Ähnlichkeit mehr mit Dr. Norman Wilfred.
    Sofort traten weitere potentielle Dr. Norman Wilfreds seine Nachfolge an. Sie hätte sich noch einmal das Bild in seinem Lebenslauf anschauen sollen, bevor sie hierhergefahren war. Sie versuchte, sich daran zu erinnern. Es gelang ihr nicht. Er hatte in etwa so ausgesehen, wie sie erwartet hatte, dass er aussah.
    Ihr Herz machte einen kleinen Satz beim Anblick eines speziellen Kandidaten, eines zerknitterten jungen Mannes mit zerzaustem, ungewöhnlich blassblondem Haar. Sein sanfter wehmütiger Blick schweifte langsam über die wartenden Chauffeure und Reisebegleiter. Er sah überhaupt nicht so aus, wie sie es erwartet hatte. Mein Gott, dachte Nikki dennoch, er ist es tatsächlich!
    Außer dass er es natürlich nicht war.
    Außer dass er es ganz vielleicht …
    Sie ließ ihn nicht aus den Augen. Der wehmütige Blick glitt ohne Eile von einem Schild zum nächsten, kam näher und näher.
    Einen Moment lang war sie wieder acht Jahre alt. Wenn ich ganz fest daran glaube, dass er es ist, dachte sie, dann ist er es vielleicht.
    »Carling« … »Pleather« … »Spoon« … Oliver betrachtete eingehend die hoffnungsvoll hochgehaltenen Namen und versuchte, jeden als »Fox« zu lesen. Keiner tat ihm den Gefallen. Genau wie er befürchtet hatte. Wenn eine Sache erst einmal schiefging, ging auch alles andere schief. Er war allein auf der Welt. »Wertheimer« … »Begby« … »Budd« … Alle diese Leute mit soliden und überzeugenden Namen! Sie hatten jemanden, der sie abholte, sie hatten ein Leben, Freunde und Liebhaber, sie hatten glückliche Tage voller Gelächter an einem Tisch in einer Taverne vor sich. Warum war er nicht Begby? Warum war er nicht Budd? Und während er noch hinsah, schüttelten sich »Begby« und Begby die Hand und lachten.
    »Johanssen« … »Cholley« … »Dr. Norman Wilfred« …
    Er blieb stehen. Dr. Norman Wilfred … Ja. Das wäre ein guter Name gewesen. Er hatte etwas Gesundes und Bodenständiges, was auf einen Allgemeinarzt in einer Kleinstadt auf dem Land schließen ließ. Auf jemanden mit roten Backen und freundlich zwinkernden Augen, der von seinen Patienten geliebt wurde. Wenn man ihn nur Wilfred genannt hätte! Mit so einem Namen hätte auch er Arzt werden können. Er hätte Dr. Wilfreds anständiges, nützliches Leben führen und Dr. Wilfreds wohlverdienten Sommerurlaub antreten können – würde jetzt abgeholt von wer immer es war, der Dr. Wilfred abholte.
    Er schaute auf, um zu sehen, wer es war.
    O ja ! dachte
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