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Wild (German Edition)

Wild (German Edition)

Titel: Wild (German Edition)
Autoren: Lena Klassen
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mein Freund auszugeben. Paulus legte großen Wert darauf, dass ein weibliches Wesen den gefährlichen Soldaten unter Kontrolle hatte, also hatte er zugestimmt.
    Die Schuld an den toten Jägern hatte Gabriel Jakob zugeschoben. Jakob, der gewiss stolz darauf gewesen wäre.
    »Jetzt komm schon, träum nicht«, drängte Jeska. »Er hat gesagt, es ist wichtig.«
    Der Lagerplatz war nicht zufällig gewählt worden. Alfred hatte darauf gedrängt, und so waren wir hergekommen. Hier hatte er sein unterirdisches Labor, einen alten, eingegrabenen Waggon, mit einer versteckten Einstiegsluke und einer Leiter. Seit ich zurück war und wir hergezogen waren, arbeitete er fast ununterbrochen da unten.
    Als die drei mich am Sumpf gefunden hatten, war Orion mit ausgebreiteten Armen auf mich zugerannt, aber ich hatte mich abgewandt.
    »Fass mich lieber nicht an«, sagte ich. »Ich bin krank. Morbus Sechs.«
    Sie hielten Abstand, während ich ihnen ein paar Details schilderte, aus denen sich eine Geschichte zurechtbasteln ließ. Ich sprach nicht darüber, wie Lucky in meinen Armen gestorben war. Mein Herz machte meinen Mund stumm. Aber ich warnte sie vor der Krankheit.
    »Es geht mir schon fast wieder gut. Aber es ist bestimmt noch ansteckend.«
    Das hatte Happiness Zuckermann jedenfalls geglaubt. Falls nicht, hatte ich ihr bloß den Schrecken ihres Lebens verpasst.
    »Das muss ich mit Alfred besprechen«, sagte Gabriel. »Jetzt gleich.«
    »Habt ihr noch mehr Toms?«
    »Ein paar altmodische Funkgeräte. Neustadt kann nicht mithören.«
    Bevor wir uns auf den Weg machten, begruben wir Lucky. Orion zerschlug das Eis auf einem der Tümpel, und wir betteten ihn hinein. Ich weinte nicht. In diesem Moment, unter dem weiten Himmel, war nichts als Stille in mir. Ich wusste, ich konnte sein wie Benni. Nichts mehr sagen. Sich an irgendetwas festklammern. Und warten, bis der Schmerz verging, aber er würde nicht vergehen.
    »Leb wohl, Lucky«, sagte ich leise.
    Helm sprach ein Gebet.
    Dann gingen wir nach Hause. Ich hatte einen Schal um Mund und Nase gewickelt, und ich hatte mehr Angst als sie.
    »Wo ist Savannah?«, fragte ich. Denn nur ihretwegen hatten die Regs mich diese Monate in Neustadt ungestört leben lassen. Und nur ihretwegen schickten sie mich krank in die Wildnis hinaus.
    »Leise«, flüsterte Gabriel, der neben mir ging. »Helm weiß nichts davon. Wir konnten nicht riskieren, dass Paulus von ihr erfährt.«
    »Also lebt sie noch.«
    »Ich bin kein Mörder«, sagte er. »Auch wenn ich mir in dem Moment gewünscht habe, ich könnte einer sein.«
    »Das verstehe ich«, flüsterte ich unter meinem Schal.
    »Wir haben sie ein paar Freunden in einer anderen Gruppe anvertraut. Bitte frag nicht.«
    »Ja«, sagte ich, denn auch das verstand ich nur allzu gut. Von Worten, die das Fieber an die Oberfläche trug, von Träumen, in denen man nicht mehr wusste, was man verraten hatte und was nicht.
    Meistens trug Orion mich, und ich wollte ihn davon abbringen, doch er fürchtete sich nicht.
    »Küsst du mich halt nicht«, meinte er, und mir wurde warm und wieder kalt bei seinen Worten, denn ich dachte an Lucky und den Kuss, mit dem ich ihn umgebracht hatte, und ich weinte an seiner Brust, während Orion mich weiter durch den Wald trug. Sie hatten es eilig, denn es wimmelte hier von Einzelgängern, und meine Freunde hatten auf dem Hinweg einige Kämpfe ausfechten müssen. Doch wir hatten Glück. Waren zurück ins Lager gekommen. Lebendig.
    Ricarda stürzte auf mich zu. Die abwehrenden Hände von Helm und Gabriel hielten sie auf.
    Sie sah mich an, und ich sehnte mich danach, dass sie mich umarmte. Aber das wollte sie gar nicht. Sie war viel zu wütend dafür.
    »Du verdienst eine Ohrfeige, Pia«, sagte sie. »Dafür, dass du einfach so verschwunden bist. Dass du es gewagt hast zu gehen, ohne mich zu fragen und ohne dich zu verabschieden. Was sollte ich denn Benni erzählen, was glaubst du?«
    Ich hatte keine Antwort. Sie ließen sie nicht an mich heran, sodass sie mich nicht ohrfeigen konnte. Ein Mann erschien an ihrer Seite und sagte, sie solle sich beruhigen. Ich betrachtete ihn verwundert. Ein unauffälliger Mann, nicht hübsch und nicht hässlich, aber stark, mit dunklen Haaren und ruhigen Augen.
    »Das ist Weston«, sagte Ricarda. »Dein Vater.«
    Er war ein ernster Mann. Aber er lächelte, und es war kein mühsames Lächeln, das besagte: Oh, noch jemand, für den wir sorgen müssen, sondern ein Lächeln, das mir zurief: Endlich bist du da,
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