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Wild (German Edition)

Wild (German Edition)

Titel: Wild (German Edition)
Autoren: Lena Klassen
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wenn die beiden Hauptdarsteller verblichen waren? –, dann konnte Charity es nicht länger aushalten und platzte lauthals heraus. Ihrem ansteckenden Lachen konnte sich niemand entziehen. Sogar unser ehrwürdiger Geschichtslehrer druckste verstohlen.
    »Licht an!«, befahl er. »Nun, wie hat es euch gefallen?«
    »Das ist einfach so lustig!« Bei jeder Bewegung verströmten Charitys rote Locken einen intensiven Duft nach Himbeeren und Maiglöckchen. Sie konnte wie immer nicht widerstehen und knabberte an ihren Haarspitzen. Ihr prächtiger Schopf versperrte mir die Sicht auf Lucky, der gerade Moon von der Bühne herunterhalf. »Ich freue mich jedes Jahr darauf! Endlich ist unser Jahrgang an der Reihe. An Moon und Jupiter kommt einfach niemand heran.«
    Jedes Jahr sahen wir uns die Aufführungen der Elften an, und jedes Mal behauptete Charity, sie hätte sich noch nie so gut amüsiert.
    »Was bedeutet eigentlich der Name Julia?«, fragte Peace. »Warum heißt sie so?«
    »Ich würde sie Tränchen nennen«, meinte Charity und erlitt ihren nächsten Kicheranfall. »Und ihn …«
    »Jammero!«, kreischte Peace. »Jammero und Tränchen!«
    Da ich mit dem bescheuertsten Namen der ganzen Schule gesegnet war, sagte ich lieber nichts dazu. Die anderen lagen vor Lachen halb auf dem Boden. Sie steckten sich immer gegenseitig damit an, und obwohl ich meistens nicht so recht mitlachen konnte, musste selbst ich glucksen.
    Gandhi klatschte in die Hände und scheuchte uns zurück auf die Stühle.
    »Nicht schlecht für die erste Probe«, meinte er. »Aber du solltest dich ein bisschen zurückhalten, Jupiter. Too much, wenn du verstehst, was ich meine.«
    Jupiter grinste. Er genoss es, auch einmal im Mittelpunkt zu stehen. Dass er mit Moon auf der Bühne kuscheln durfte, war für ihn sicherlich der Höhepunkt des Jahres.
    »Aber ich dachte, wir sollten übertriebene Gefühle darstellen«, verteidigte er sich.
    »Schon, aber vergiss nicht, diese Gefühle haben die Menschen nicht zum Lachen gebracht, sondern sie in den Wahnsinn geführt. In den Tod. Das ist der Weg ins Verderben. Nur deshalb machen wir das hier, klar?« Gandhi blickte sich um. Vier Schüler und genauso viele – immer noch leise prustende – Schülerinnen heuchelten ungeteilte Aufmerksamkeit. Die Gemischtklasse an der Theodor-Frühlingswetter-Schule, vierter Bezirk, Neustadt, enthielt die acht übriggebliebenen Siebzehnjährigen, die weder in die Sportlerklasse, die Technikerklasse noch in die Schlaubergerklasse passten – das hieß, niemand wusste, was aus uns werden sollte.
    Moon hatte den Kopf gegen Luckys Schulter gelehnt. Sie waren das perfekte Paar, sie so hübsch und er mit dem untrüglichen Gespür dafür, wo gerade die beste Party stattfand.
    Lucky und ich kannten uns schon seit der Kindergartenzeit, und gemeinsam waren wir in der gemischten Klasse derer gelandet, deren Begabungen sich erst noch entwickeln mussten. Lucky hatte sich mit allen sofort angefreundet, insbesondere mit den Mädchen, und ich war glücklich gewesen, dass Moon nicht etwa die süße Charity oder die perfekte Peace zu ihrer besten Freundin erkoren hatte, sondern mich. Seitdem waren wir meist zu dritt unterwegs.
    Da Lucky und ich beide nicht designt waren und uns so gut verstanden, hatte ich damit gerechnet, dass man ihn mir als Freund zuteilen würde. Lucky war mittelgroß und hatte ein spitzes Kinn. Sein Gesicht war insgesamt etwas zu lang und schmal, sodass es etwas von einem Fuchs hatte. Luckys Familie war nicht besonders wohlhabend, und anders als die meisten Kinder, die nicht bereits vor ihrer Geburt genbehandelt worden waren, war er nie im Nachhinein operiert worden. Trotzdem oder vielleicht auch deshalb hatte ich gedacht, er würde gut zu mir passen, schließlich hatte auch ich die Praxis eines Schönheitschirurgen noch nie von innen gesehen. Mir gefielen seine braunen Haare, seine funkelnden Augen und seine witzigen Bemerkungen. Er hatte einen etwas zu breiten Mund und stand im Ruf, der beste Küsser der Schule zu sein – das allerdings wusste ich nur vom Hörensagen. Lucky küsste jedes weibliche Wesen, das keinen Mundschutz trug, nur mich hatte er noch nie geküsst.
    Ich hatte Luckys Namen ganz oben auf meiner Wunschliste stehen, aber das Auswahlverfahren dauerte lange und die genetische Kompatibilität war natürlich wichtiger als unsere persönlichen Vorlieben.
    Und dass fast alle Jungs Moon auf ihre Liste geschrieben hatten, war ein offenes Geheimnis. Leider hatte ich mich
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