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Wild (German Edition)

Wild (German Edition)

Titel: Wild (German Edition)
Autoren: Lena Klassen
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Worte: drei Hügel. Jetzt wusste ich es wieder. Eine Lüge, auf die ich nicht besonders stolz gewesen war, denn mir war klar gewesen, dass sie rasch entdecken würden, dass die Information nicht stimmte. Warum hatten sie mir den Mantel nicht längst weggenommen? Und warum war er so schwer? Ein wenig überrascht stellte ich fest, dass ich einen unförmigen, prall gefüllten Beutel auf dem Rücken trug. Wir sollten sterben, aber nicht sofort.
    Weißt du es nicht mehr?, fragten die Gedanken.
    Doch, sagte ich. Die kalte Luft schärfte meinen Verstand, schlug eine Bresche durch das Fieber, durch die Wolke aus Schmerz und Benommenheit. Zuerst sollte ich meine Leute informieren, damit sie mich holten, damit die Jäger ihnen folgen konnten.
    Ich blickte mich um, ob hinter uns noch jemand aus dem Tor schlüpfte, und erhaschte flüchtig einen Blick auf etwas, das sich bewegte.
    »Wir können nicht ausruhen«, sagte ich zu Lucky.
    Er blieb stehen und umarmte mich, seine bebenden Lippen suchten meine. Unser Kuss schmeckte nach Blut.
    »Frei«, flüsterte er.
    Ich hustete, wir krümmten uns beide, kämpften gemeinsam gegen den Schmerz. Und schleppten uns weiter.
    Die kleine Taschenlampe leuchtete über eisverkrustete Tümpel, über weiße Büschel, die einladend aussahen wie Kissen. Wir schlichen so langsam vorwärts, dass wir jede Stelle erst allmählich mit unserem Gewicht belasteten und zweifelsfrei merkten, ob man dort einsank oder nicht. Manchmal splitterte Eis unter unseren Füßen.
    »Sieben wilde Schwäne fliegen über den See …« Ich merkte erst, dass ich Jeskas Lied vor mich hinsang, als Lucky leise lachte. Als er aufgehört hatte zu husten, konnte er sprechen.
    »Schönes Lied. Mal was andere als die Glücksstrom-Ode.«
    »Ja«, sagte ich, und wieder standen wir eine Weile da, um Kraft zu schöpfen, einander zugewandt. Ich lehnte meinen Kopf an seine Schulter.
    »Weiter«, befahl er, und da gingen wir weiter, denn Lucky war niemand, der aufgab. Niemand, der sich geschlagen gab. Der echte, freie, wilde Lucky war ein Mann, der bei den Damhirschen überaus willkommen sein würde. Gabriel würde ihn seinen Verteidigern hinzufügen und ihm beibringen zu schießen. Gegen die Jäger zu kämpfen. Gänse und Rehe zum Mittagessen nach Hause zu bringen.
    »Sieben wilde Schwäne … fliegen in den Himmel …«
    Der Morgen dämmerte herauf. Am Horizont winkten die Bäume. Ich drehte mich um. Die schmale Gestalt hinter uns trug Kleidung, die sie mit der Umgebung verschmelzen ließ, trotzdem erkannte ich sie am Gang, an einer einzigen Bewegung.
    Meine Freundin Happiness.
    »Na schön«, murmelte ich grimmig. »Das wollen wir sehen, Frau Zuckermann.«
    Endlich erreichten wir sicheren Boden. Auch hier waren die Halme und Wedel weiß überfroren. Lucky sank ächzend in die Knie. Im Rucksack fand ich eine Plane, auf die wir uns setzen konnten. Zwei Decken, die uns wärmten. Wasser in einer großen Flasche und eine kleine Flasche, die einen starken Tee enthielt. Er war noch warm. »Es gibt sogar Kekse«, sagte ich.
    Lucky lächelte verächtlich. »Sie wollen uns mästen, wie?« Er glühte. Seine Stirn war so heiß, dass ich kein Lagerfeuer brauchte, um mich zu wärmen. Dennoch war ich dankbar über das Feuerzeug und die trockene Matte, die wohl als Brennmaterial dienen sollte.
    Sie wollten uns am Leben halten.
    Sie bauten auf meine Hoffnung auf Rettung, darauf, dass ich alle Hebel in Bewegung setzen würde, um zu Alfred zu gelangen. Um die Jäger zu Savannah zu führen.
    Ich trank ein paar Schlucke Wasser. Meine Beine zitterten unaufhörlich, selbst unter der Decke. Noch fühlte ich mich nicht in der Lage, das Feuer anzuzünden.
    Wie weit die Damhirschgruppe wohl entfernt war? Würde die Zeit reichen? Ich musste endlich aufhören, in Zeiträumen von fünf Tagen zu denken.
    Hör auf zu denken.
    In meinen Händen der Tom. Wie war er da hineingekommen? Meiner. Schön, glatt, neu.
    Für wie blöd hielten sie mich? Glaubten sie, mein Verlangen nach Leben wäre übermächtig?
    So stark, dass ich dafür meine Freunde verriet?
    Orion lachte leise in meinem Kopf.
    Wir hockten zusammen auf der Decke. Lucky stöhnte, und ich strich ihm die Haare aus der Stirn, während mich ebenfalls ein neuer Fieberschub überrollte. Mein Rücken tat so weh, dass ich weinte, während wir uns auf der Plane aneinanderschmiegten. Den Rucksack benutzten wir als Kissen. Wir schliefen, denn die Krankheit war ein Feind, gegen den keiner von uns kämpfen konnte.
    Ich
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