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Wiener Requiem

Wiener Requiem

Titel: Wiener Requiem
Autoren: J Jones
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an, welchen Dienst Sie uns erweisen können«, antwortete der Gendarm. Klimt zuckte nicht einmal mit der Wimper bei den abweisenden Worten, sondern behielt sein anbiedernd freundliches Verhalten bei. Gerade wollte Werthen seinen alten Freund begrüßen, als dieser warnend den Kopf schüttelte.
    Der Maler zog eine Karte aus seiner Westentasche und übergab sie dem Gendarmen.
    »Herr Gustav Klimt, zu Ihren Diensten.« Erneut zog er seinen Hut und lächelte salbungsvoll. »Kaiserlicher Hofmaler.«
    Er übertreibt ein bisschen, dachte Werthen. Wohl eher etwas wie der Deckenmaler verschiedener öffentlicher Gebäude. Und durch seine Nacktmalereien auch hauptamtlicher Störer der öffentlichen Ordnung.
    Argwöhnisch betrachtete der Gendarm die Visitenkarte und rieb mit seinem dicken Daumen über die geprägten Lettern.
    »Ich stand genau gegenüber von diesen beiden Herren und sah sehr genau, was geschah. Dieser Herr hier« – er zeigte auf Werthen – »hat wirklich wie ein Wohltäter gehandelt, da er einen Diebstahl verhinderte. Er wollte den Geldbeutel gerade an diesen Herren« – er zeigte auf den alten Mann – »zurückgeben, als es zu dem Missverständnis kam.«
    »Der Mann ist ein Schuft«, rief der Alte. Es war nicht ganz klar, ob er mit seiner Anschuldigung Werthen oder Klimt meinte.
    »Ich schwöre es«, sagte Klimt in dramatischem Ton. »Sie können meine eidesstattliche Aussage gleich hier und jetzt aufnehmen.«
    »Also dann …«, sagte der Wachtmeister.
    »Sie glauben diesem Kerl doch nicht etwa. Die beiden stecken ganz offensichtlich unter einer Decke.«
    Werthen nahm es für ein gutes Zeichen, dass der Polizist bei dieser Bemerkung die Augen verdrehte, und schloss daraus, dass weitere Beteuerungen von seiner Seite eher von Nachteil sein würden. Die geprägten Lettern auf der Visitenkarte Klimts hatten Wirkung gezeigt: KAISERLICHER HOFMALER, GUSTAV KLIMT.
    Der Wachtmeister ließ den Geldbeutel in die Hände des alten Mannes fallen.
    »Ich würde sagen, der Gerechtigkeit wurde ausreichend Genüge getan. Es scheint sich tatsächlich um ein Missverständnis zu handeln.«
    »Was soll das heißen, Sie Volltrottel?«, stieß der alte Mann hervor.
    Werthen ließ den Mann unbehelligt weiter schimpfen, denn der Gendarm schien an einer weiteren Debatte nicht mehr interessiert.Sie fanden einen freien Ecktisch im Café Feldmann auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Es war ein riesiges Lokal, ohne jedes Flair von Gemütlichkeit. Da es nahe am Friedhof lag, verköstigte es vor allem Trauergesellschaften.
    »Ich bin Ihnen zu Dank verpflichtet«, sagte Werthen, nachdem sie sich gesetzt hatten.
    »Das war nicht mehr, als Sie auch für mich getan hätten. Es freut mich, dass nun auch ich Ihnen einen Gefallen erweisen konnte. Und vor allem freut es mich, dass diese Karten, die ich habe drucken lassen, endlich zu etwas gut waren.«
    »Welch ein glücklicher Zufall, dass Sie gesehen haben, was sich abspielte«, sagte Werthen, während er die Speisekarte überflog.
    »Nichts habe ich gesehen«, sagte Klimt, ohne sich die Mühe zu machen, in die Speisekarte zu schauen. »Der Hut dieses Dummkopfs hat mir die Sicht versperrt. Aber als ich hörte, wie der alte Narr sich aufplusterte, konnte ich mir ein Bild von dem Geschehen machen. Geschieht ihm recht, diesem Wichtigtuer.«
    »Sie kennen ihn also?«, fragte Werthen.
    »Aber sicher, ich habe ihn sofort bemerkt. Es wundert mich, dass Sie ihn nicht erkannten. Das war Eduard Hanslick, Wiens selbsternannter Musik-Diktator.«
    Das also war Hanslick, dachte Werthen. Der Mann beherrschte schon seit Generationen das musikalische Geschehen; seine Kritiken entschieden noch immer über den Erfolg oder Misserfolg eines Komponisten oder Darstellers. Hanslick galt als entschiedener Gegner der romantischen Musik Wagners und Bruckners, er bevorzugte die strengere Musik der Klassik, wie man sie von Brahms kannte. Was hatte er noch über Johann Strauß gesagt? In etwa: Die Melodien von Strauß verderbendem Hörer die Ohren für die ernsthafte Musik. Dieser aufgeblasene alte Geier; Werthen hoffte, dass der Gendarm ihm für sein unverschämtes Benehmen eine Geldbuße auferlegen würde.
    Die Kellnerin kam, und Klimt orderte einen Kaffee mit Schlagobers. »Mit einem Berg von Schlagobers«, sagte er zu der jungen Frau. »Ich habe unbändigen Appetit. Jemanden zu beerdigen macht wirklich hungrig.« Dazu bestellte er sich ein Stück Linzer Torte.
    Werthen nahm nur seinen üblichen Kleinen Braunen,
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