Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Finsteren

Die Finsteren

Titel: Die Finsteren
Autoren: Bryan Smith
Vom Netzwerk:
Prolog
    Hollis-Haus
    1. Dezember 1959
    Ein Geruch, so widerwärtig, dass ihm Tränen in die Augen traten, durchdrang den Raum. Galle stieg ihm in die Kehle, als ihn der überwältigende Gestank bestürmte, ihm in die Nase stieg wie Gift, ihn in einer heißen Welle nach der anderen umfing, bis er sich wie jemand fühlte, der in einem Meer aus Exkrementen ertrank. Er fand es unbegreiflich, dass aus dem Mund der Frau, die er vor fast einem Jahrzehnt geheiratet hatte, ein derart abscheulicher Gestank strömte.
    Frank Hollis musste sich vor Augen halten, dass diese Kreatur nicht wirklich seine geliebte Eleanor war. Es handelte sich zwar um ihren Körper, aber in ihr steckte noch etwas anderes – ein bösartiges Wesen, das Eleanors Fleisch wie eine Marionette benutzte. Die Kreatur manipulierte ihren Leib auf eine Art und Weise, die ihn ganz krank machte und erschreckte. Sie steuerte und missbrauchte den Körper ihrer Wirtin mit skrupelloser Hemmungslosigkeit. Er konnte nur hoffen, dass sich Eleanors angeschlagene Seele bereits von dem geschundenen Fleisch losgesagt hatte. Die Möglichkeit, dass sie noch bewusst wahrnahm, was geschah, als machtlose Gefangene in ihrem eigenen Kopf, war zu grausam, um den Gedanken daran zu ertragen. Allein die Vorstellung ließ blanke Wut in ihm aufsteigen, doch es gab nichts, was er dagegen tun konnte.
    Frank lag auf dem Rücken in dem Bett, das Eleanor und er miteinander teilten, seit sie vor fünf Jahren in ihr neues Zuhause eingezogen waren. Erst vor drei Tagen hatte er in diesem Bett mit Eleanor das letzte Mal geschlafen. Weitere Tränen traten ihm in die Augen, als ihm bewusst wurde, dass es nie mehr dazu kommen würde. Seine Hände waren rückwärts hinter den Kopf gestreckt und mit dicken Seilen an das Kopfteil gefesselt. Er zerrte daran, als die Kreatur über ihm fauchte und ihn anzüglich angrinste.
    Kreatur .
    Ja, eine Kreatur.
    Er musste es sich immer wieder in Erinnerung rufen, weil das Wesen nach wie vor wie Eleanor aussah. Die schielende Fratze war nichts anderes als das liebenswürdige Gesicht, das er so viele Male geküsst hatte. Doch der Ausdruck, der jetzt darauf lag, kam ihm fremdartig vor, wie bei einem Außerirdischen. Die geweiteten, vorquellenden und grässlich blutunterlaufenen Augen schimmerten purpurrot. Die Lippen hatten sich so weit von den Zähnen zurückgezogen, dass die Mundwinkel eingerissen waren und dünne Blutrinnsale zur Kinnspitze hinabliefen. Dort sammelte sich die dunkle Flüssigkeit und tropfte auf seine nackte Brust.
    Frank schrie erneut, als das Wesen einen seiner speziellen Tricks vorführte.
    Das Knacken von Wirbeln ertönte, als sich Eleanors Rückgrat zu verlängern begann. Ihr Kopf streckte sich der Zimmerdecke entgegen. Ihr Hals wurde lang und biegsam, bis er wie bei einer Giraffe oder einem ausgestorbenen, prähistorischen Tier aussah. Der Kopf auf der elastischen Fleischsäule wirkte unnatürlich groß und wackelte bedenklich. Das Wesen grinste auf ihn herab. Die Lippen dehnten sich noch weiter, wurden dünner und weiteres Blut floss aus den zunehmend tieferen Rissen an den Mundwinkeln. Dann kehrte sich die Magie ins Gegenteil um. Der Hals schrumpfte atemberaubend schnell und der Kopf sauste zurück nach unten, kam mit einem abrupten Schlackern zum Stillstand. Der Mund verformte sich auf dieselbe bizarre Weise, als wenn das Wesen lachte – eine verschwommene Bewegung, die sich mit den Augen unmöglich mitverfolgen ließ. Ein frischer Hauch dieses Höllengestanks brachte ihn erneut zum Würgen.
    Dann hob die Kreatur einen Arm, wandte ihm die Innenseite des Körpers zu, präsentierte ihm zarte, makellose Haut. Sie wartete, bis sie wusste, dass er ihr seine volle Aufmerksamkeit schenkte, bevor sie die Finger der rechten Hand krümmte. Die Fingernägel wurden länger und verhärteten sich, verwandelten sich in schwarze, verseuchte Krallen.
    Frank schüttelte den Kopf. »Nein. Bitte nicht. Hast du nicht schon genug angerichtet?«
    Es lachte nur.
    Die Klauen fuhren über die ungeschützte Innenseite des Arms, rissen lange, tiefe Furchen in das Fleisch. Dicke Ströme aus dunklem Blut ergossen sich aus den neuen Wunden. Die Kreatur hielt den zerfetzten Arm über Franks Gesicht und träufelte ihm das Blut in den Mund. Frank schluckte jeden einzelnen Tropfen. Mittlerweile wusste er, dass es von ihm erwartet wurde. Die Kreatur genoss dieses zusätzliche Maß an Misshandlung. Sie genoss alles, womit sie ihn quälte und folterte.
    Abermals öffnete sich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher