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Wiener Requiem

Wiener Requiem

Titel: Wiener Requiem
Autoren: J Jones
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da er hoffte, rechtzeitig zum Mittagessen zu Hause zu sein. Frau Blatschky hatte einen Zwiebelrostbraten versprochen. Er konnte die saftigen Stücke vom Rindfleisch und die gerösteten Zwiebeln schon fast auf seiner Zunge schmecken.
    »Welch ein Zufall, Sie hier zu treffen«, sagte Klimt. »Ich hatte Sie ohnehin aufsuchen wollen.«
    »Es wird hoffentlich nicht wieder ein Modell vermisst«, sagte Werthen. Sein erster Fall hatte seinen Anfang mit dem Tod einer jungen Frau genommen, die Klimt Modell gestanden hatte. Allmählich begann er, seine außerjuristischen Tätigkeiten als Fälle zu betrachten. Erst gestern hatte er sein Messingschild am Eingang in der Habsburgergasse austauschen lassen. Es hieß nicht länger ADVOKAT KARL WERTHEN; TESTAMENTE UND TREUHANDANGELEGENHEITEN; nun war zu lesen: ADVOKAT KARL WERTHEN; TESTAMENTE UND TREUHANDANGELEGENHEITEN, STRAFRECHT UND PRIVATE ERMITTLUNGEN.
    Klimt schüttelte den Kopf. »Nein, so ernst ist es nicht, sollte ich denken, aber es liegt schon ein Schuss Dramatik darin. Möglicherweise ist es sogar ein Fall.«
    Werthen wurde plötzlich munter.
    »Sie kennen doch die junge Schindler, nicht wahr?«, fragte Klimt.
    »Schindler? Sie meinen den Landschaftsmaler?«
    »Emil Schindler. Ich meine seine Tochter Alma. Der arme Emil starb an einem Blinddarmdurchbruch.«
    »Ja, richtig«, erinnerte sich Werthen. »Und seine Witwe hat dann Ihren Kollegen aus der Sezession geheiratet, diesen Moll.«
    »Carl Moll«, bestätigte Klimt. »Es freut mich zu hören, dass Sie die Gerüchteküche in der Kunstwelt fleißig verfolgen.«
    »Demnach sind es also nicht nur Gerüchte«, mutmaßte Werthen.
    »Nun ja, sehen Sie, diese junge Dame und ich werden häufig in Zusammenhang gebracht, geschäftlich und auch privat …«
    »Kein weiteres Wort, Klimt! Sie haben also eine neue Eroberung.«
    Klimt besaß immerhin den Anstand, bei diesen Worten zu erröten. »Wohl kaum, obwohl ich zugeben muss, dass ich von dieser jungen Frau wirklich hingerissen bin. Sie ist wunderschön und hat einen klugen Kopf. Leider hat sie eine Schwäche für einen gewissen Musiker.«
    Eine Pause trat ein, als der Kaffee und das Gebäck serviert wurden. Klimts Tasse zierte ein wahres Matterhorn aus Sahne. Er wirkte zufrieden und folgte mit einem beinahe zärtlichen Blick dem Hinterteil der Kellnerin, als sie davonging.
    »So ein süßes, junges Ding«, sagte er, wandte sich seinem Kaffee zu und machte sich über den Kuchen her. Er schlang ihn förmlich in sich hinein.
    Werthen gönnte Klimt fünf Minuten, um ohne Unterbrechung zu essen und zu trinken.
    »Alma Schindler«, gab Werthen dann das Stichwort.
    »Genau. Sie ist ein prächtiges Mädchen, und ich glaube eigentlich, dass sie auch in mich vernarrt ist. In diesem Frühling bin ich mit ihr und ihrer Familie nach Italien gereist. Da war schon eine besondere Chemie zwischen zu. Man spaziert so durch Venedig, über den Markusplatz … Aber es gab auch Probleme. Carl … also Moll. Ich meine, nicht dass Sie mich …«
    »Der Stiefvater hat die Liaison missbilligt.«
    Klimt schüttelte bekümmert den Kopf. »Bürgerliche Konventionen. Glauben Sie mir, Alma hat ihren eigenen Kopf. Jedes andere süße, junge Ding hätte schon längst mein Bett mit mir geteilt.« Er seufzte bedauernd.
    Werthen zog seine Taschenuhr hervor: fünf vor zwölf. Noch könnte er es rechtzeitig zum Mittagessen nach Hause schaffen.
    »Was hatten Sie mir denn über Fräulein Schindler eigentlich sagen wollen?«
    »Ach ja. Es scheint, als hätte sie einen Hang zu älteren Männern. Ihr neuestes … Projekt ist Mahler.«
    »Ich habe Sie mit ihm gesehen. Ein neuer Freund?«
    »Er ist nicht so ganz mein Geschmack, wenn Sie wissen, was ich meine.«
    »Nein, nicht so ganz.«
    »Es ergab sich einfach zufällig, dass wir den ganzen Weg hier hinaus zum Friedhof gemeinsam gegangen sind. Währenddessen hat er sich unablässig darüber beklagt, wie manieriert die Grabrede von Pastor Zimmermann in der Episkopalkirche doch gewesen sei. Außerdem habe der Acappella-Chor desMännergesangsvereins anderthalb Noten tiefer geendet als begonnen. Als wäre es seine Beerdigung gewesen. Na, so ist der Bursche halt.«
    Werthen wusste noch immer nicht, worauf Klimt hinauswollte, und drängte ihn weiterzusprechen.
    »Und? Dieser Mahler und Alma Schindler stehen sich also nahe?«
    »Wohl kaum. Sie hat ihn erst einmal aus der Ferne gesehen, schwört aber, dass er der Mann ihres Lebens sei. Und was Alma will, bekommt sie auch.«
    »Sie
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