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Wie wollen wir leben

Wie wollen wir leben

Titel: Wie wollen wir leben
Autoren: Sandra Maischenberger
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Sind Sie froh, nicht mehr in der Verantwortung zu stehen und jeden Tag eine Antwort finden zu müssen?
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    Zum Teil schon. Doch würde ich deshalb nicht aus der Politik davonlaufen, wenn ich noch jünger wäre. Übrigens: Auch in der Vergangenheit gab es Zeitabschnitte mit hohen Schlagzahlen. Da muss ich nur an den 11. September 2001 denken, an die Wochen vor dem Irakkrieg, an die RAF-Anschläge im Herbst 1977. Und wir dürfen auch nicht verdrängen, dass das Verhältnis zwischen Ost und West bis 1989 keineswegs spannungsfrei war. Die Sorge, dass das auch in einem atomaren Konflikt münden könnte, war durchaus gegenwärtig. Ich gebe aber zu, dass die Akzeleration großer Ereignisse und Probleme zugenommen hat.
    Â 
    Doch sie taugt nicht als Entschuldigung für Fehler?
    Â 
    Nein, keineswegs. Meines Erachtens ist eine gewisse Kurzatmigkeit insbesondere bei den Regierungsparteien eingetreten. Sie
handeln und entscheiden oft von heute auf morgen. Und zwar auch in Fällen, in denen die Umstände nicht dazu zwingen. Dabei geht es doch um Herausforderungen, für deren Bewältigung man zuverlässige und belastbare Fakten und Kriterien braucht. Auch sind Diskussionen nötig, die sich nicht im Austausch von Vorwürfen oder kleinen Bosheiten erschöpfen, sondern wirklich versuchen, Argumente zu erfassen, um zu einer möglichst breiten Einigung zu kommen. Ich will ein Beispiel nennen: Die Ostpolitik Willy Brandts war ursprünglich außerordentlich umstritten. Aber mehr und mehr ist diese Ostpolitik doch zu einer gemeinsamen Politik geworden. Hans-Dietrich Genscher rechne ich hoch an, dass er die Linie der Ostpolitik auch nach dem Koalitionswechsel im Jahre 1982 durchgehalten hat. Und das hat nicht nur uns geholfen, sondern auch dem Frieden in Europa.
    Â 
    Wenn eine politische Führung unter dem Eindruck einer größeren Zahl von Nachrichten durch die Globalisierung steht, es mit einer Beschleunigung durch das Internet und einer verstärkten Emotionalität durch die Macht der Bilder zu tun hat, benötigt sie dann nicht ein tragfähiges Gerüst, um Entscheidungen treffen zu können? Braucht sie nicht einen inneren Kompass oder Kriterien, die auch dann standhalten, wenn es mal unübersichtlich wird?
    Â 
    Ja, das braucht die Politik in jedem Fall. Und sie muss ihre Kriterien den Menschen auch mitteilen und sie dann durchhalten. Generelle Urteile über das politische Handeln – meist negativer Art – sind in diesem Zusammenhang unangemessen. Es gibt auch genug positive Beispiele. Ich könnte auch Namen von Politikern nennen, die solche Beispiele gegeben haben, verzichte aber darauf, weil ich keinen der nicht Genannten verletzen will. In jedem Fall hat von den noch Lebenden Helmut Schmidt so gehandelt.
    Â 
    Na gut, aber der regiert schon lange nicht mehr.
    Â 
    Das stimmt. Aber er äußert sich immer wieder zu den zentralen politischen Problemen und gibt auf seine Weise Orientierung. Und das ebenso pointiert wie klar. Man muss ihm nicht immer zustimmen, aber man muss sich mit seinen Positionen und seinen
Argumenten beschäftigen. Übrigens: Es ehrt unser Volk, dass ein Mann wie Helmut Schmidt das höchste Ansehen überhaupt genießt.
    Â 
    Ich möchte aber ganz bewusst über die jetzige Politikergeneration reden. Wer aus dem aktuellen politischen Personal, ich beharre darauf, flößt Ihnen persönlich Vertrauen ein? Bei wem haben Sie das Gefühl, das ist jemand, der auch über den Augenblick hinaus denkt?
    Â 
    Also gut, dann nenne ich doch auf der Bundesebene ein paar Namen. Allerdings betone ich, dass es sich nur um eine Auswahl handeln kann. So nenne ich Frank-Walter Steinmeier, Sigmar Gabriel, Peer Steinbrück oder Wolfgang Thierse. Dann Wolfgang Schäuble, mit dem ich zu meiner Zeit manch harten Strauß ausgefochten habe. Oder Thomas de Maizière. Auch der Bundestagspräsident, Herr Lammert, gehört dazu. Und Herrn Trittin würde ich allmählich auch nennen.
    Â 
    Und was halten Sie von Ursula von der Leyen?
    Â 
    Das ist eine gewandte Politikerin, die sich selbst wirksam zu präsentieren weiß. Und zudem als siebenfache Mutter in der Politik eine Ausnahmeerscheinung. Auch ihr billige ich eine bestimmte Grundorientierung zu. Imponiert hat mir übrigens Annette Schavan durch eine ehrliche Äußerung während der Guttenberg-Wochen. Da antwortete sie auf die Frage, ob sie sich
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