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Wie wollen wir leben

Wie wollen wir leben

Titel: Wie wollen wir leben
Autoren: Sandra Maischenberger
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ist die Einführung des Internets mit der Erfindung der Buchdruckkunst verglichen worden. Diese Parallele kann ich einigermaßen nachvollziehen. Hinzu kommen aber andere Aspekte. So die jederzeitige Erreichbarkeit, die Möglichkeit der ständigen Einflussnahme, die Möglichkeit, dass man nicht nur zwei oder drei Leute mit einer brieflichen Nachricht erreichen kann, sondern über das Internet plötzlich Zehn-, ja Hunderttausende von Menschen, um auf deren Meinung Einfluss zu nehmen. Auch die Versuchung, sich selbst schutzlos der Öffentlichkeit preiszugeben. Das sind alles Faktoren, die man bedenken muss. Andererseits bestreite ich nicht: Für die Entwicklung in Ägypten beispielsweise, aber auch in anderen arabischen Ländern spielten und spielen die elektronischen Medien eine substanzielle Rolle. Es wäre gut, wenn wir den gesellschaftlichen Auswirkungen dieser Neuerung noch mehr Aufmerksamkeit widmen würden.
    Â 
    Ihre Suchtgefahr besteht also in einem Informationshunger?
    Â 
    Meine Suchtgefahr ist verbunden mit der von mir eingestandenen Pedanterie. Ich will es immer genau wissen, und ich will es so
genau wissen, dass mich keiner widerlegen kann, was Fakten und Richtigkeit angeht. Jetzt macht sich das bemerkbar, indem ich im Papierbereich nachforsche. Aber wenn ich bei Google dranhängen würde, wäre das sicher noch viel schlimmer.
    Â 
    Haben Sie die Aufnahmen am Tag des Rücktritts von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg gesehen? Sie zeigen Kanzlerin Angela Merkel auf der CeBIT in Hannover, in ihrer Hand ihr Handy. Angeblich empfing sie in diesem Moment die Nachricht über den Rücktritt und reichte das Handy dann weiter an die neben ihr stehende Bildungs- und Forschungsministerin Annette Schavan. Viele dachten beim Betrachten der Fotos: Die scheinen ja ganz zufrieden zu sein über das, was sie da gerade auf dem Handy gelesen hatten. So wurde gleich wieder eine neue Nachricht in die Welt gesetzt. Wie unmittelbar und global Informationsvermittlung heute passiert, zeigten die Ereignisse in Fukushima. Durch die fast zeitgleich per Satellit übertragenen Bilder des Atomwracks, in dem die Kernschmelze stattfand, hatten wir den Eindruck, unmittelbar dabei zu sein. Ganz anders noch bei dem Reaktorunfall 1986 in Tschernobyl, von dem wir erst Tage später erfuhren, und zwar erst auf Nachfrage. Ist diese Unmittelbarkeit ein Vor- oder ein Nachteil für politisches Handeln?
    Â 
    Sowohl als auch. Die Reaktion von Frau Merkel auf die Nachricht vom Rücktritt des Herrn zu Guttenberg ließ vermuten, dass sie darüber nicht sehr unglücklich war. In manchen Fällen können Bilder starke emotionale Eindrücke hervorrufen und so die rationale Auseinandersetzung mit dem konkreten Problem erschweren. Aber solche Aufnahmen können auch Informationen vermitteln, die sich mit dem Ohr allein so nicht wahrnehmen lassen. Nicht immer reicht das gesprochene oder das geschriebene Wort aus. Mit meiner Frau habe ich mehrere Spezialsendungen über die Katastrophe in Japan gesehen. Und ich muss sagen, dass diese Berichterstattung insgesamt eher hilfreich war. Auf jeden Fall hat die Unmittelbarkeit von Bildern dieser Art einen starken Einfluss auf die Wahrnehmung von Ereignissen und das Urteil, das sich der Betrachter dann bildet .
    Â 
    Man kann jedenfalls vermuten, dass die Bilder aus Japan einen Einfluss auf den Ausgang der Wahlen im März 2011 in Baden-Württemberg hatten,
obwohl wir weit entfernt von diesem Inselstaat leben. Welchen Herausforderungen sind in Zukunft Landespolitiker unterworfen, wenn damit zu rechnen ist, dass der sprichwörtlich gewordene umgefallene Sack Reis in China die eigenen politischen Konzepte völlig über den Haufen wirft?
    Â 
    Was Sie da ansprechen, zeigt, wie weit die Globalisierung der Welt fortgeschritten ist und wie sehr sie auch uns erfasst hat. Nicht die Entfernung, in der ein Ereignis stattfindet, sondern die Wirkungen, die von ihm ausgehen können, sind entscheidend. Das müssen auch Landespolitiker im Bewusstsein haben. Wir werden wohl unter dem Gesichtspunkt der Globalisierung darauf noch näher zu sprechen kommen.
    Â 
    Darf eigentlich ein einzelner Unglücksfall herangezogen werden, um eine ganze Technologie zu verdammen, die vielleicht Industrienationen bei ihrer Weiterentwicklung helfen würde?
    Â 
    Erste Bemerkung: Fukushima war nicht der erste atomare Unglücksfall. Davor gab es die
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