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Wie wollen wir leben

Wie wollen wir leben

Titel: Wie wollen wir leben
Autoren: Sandra Maischenberger
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Gegensatz zum Ausstieg aus der Atomenergie gibt es hier für mich kein absolutes Argument. Zuerst muss aber einmal Klarheit darüber geschaffen werden, was die Summen, die häufig genannt werden, eigentlich bedeuten. Zunächst geht es nämlich im Wesentlichen »nur« um Kredite und Bürgschaften. Inwieweit sie in Anspruch genommen werden, kann heute niemand mit Sicherheit voraussagen. Dennoch: Wenn auch die mögliche Belastung sehr hoch sein könnte, ist die Übernahme dieses Risikos in meinen Augen geboten. Denn ein Auseinanderbrechen der Eurozone würde gerade uns als Exportnation besonders hart treffen. Das schon deswegen, weil eine nationale deutsche Währung, zu der wir dann ja wohl zurückkehren
müssten, sogleich intensiv aufgewertet und unser Export entsprechend verteuert würde. Auch für die Europäische Union wäre eine solche Entwicklung ein fundamentaler Rückschlag. Aber »Schirme« allein genügen nicht. Notwendig ist eine europäische Wirtschafts- und Finanzpolitik. Diese Erkenntnis beginnt sich ja inzwischen durchzusetzen. Jean-Claude Trichet, der Präsident der Europäischen Zentralbank, hat ja sogar einen europäischen Finanzminister gefordert.

Über die Zukunftsangst der Menschen, eine gesetzliche Begrenzung der Gehälter und Luxus
    Ich erlebe Sie als einen Menschen, der sich mit tagespolitischen Fragen auseinandersetzt, Detailkenntnisse hat, sodass ich mich wiederum frage, wie Sie das herstellen? Telefonieren Sie viel? Führen Sie Gespräche, um sich ein Bild zu machen? Wie bilden Sie sich Ihre Meinung heute?
    Â 
    In erster Linie, indem ich seit sechzig Jahren eine Zeitung lese, die ich für zuverlässig halte, und das ist die Süddeutsche Zeitung . Wenn man die sorgfältig liest, wenigstens den politischen und den Wirtschaftsteil, dann ist man schon einigermaßen im Bilde. Seit einiger Zeit lese ich auch wieder den Spiegel , und ein guter Bekannter schickt mir ziemlich regelmäßig per Fax Kopien anderer aktueller Zeitungsausschnitte. In Abständen korrespondiere oder telefoniere ich über grundsätzliche Themen mit Erhard Eppler oder mit Jürgen Schmude, der 1982 mein Nachfolger als Bundesjustizminister war. Regelmäßig tausche ich mich auch mit Klaus Bölling aus. Und wenn es um ganz konkrete Fragen geht, dann beschaffe ich mir auch zusätzlich Informationen; etwa im Willy-Brandt-Haus oder bei der Bundestagsfraktion.
    Â 
    Aber innerhalb der SPD sind Sie nicht in irgendwelchen Gremien, sitzen Sie nicht in dem, was man heute Think-Tanks, also Denkfabriken, nennt?
    Â 
    Nein. Aber ich lese regelmäßig die von der Friedrich-Ebert-Stiftung herausgegebene Monatszeitschrift Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte. Die ist auf ihre Weise auch eine Art Denkfabrik.
    Â 
    Wie findet man aber Kriterien – das ist jetzt eine Frage der persönlichen Wertvorstellungen –, mit denen man in der Lage ist, Entscheidungen zu treffen, die eine gewisse Nachhaltigkeit haben? Helmut Schmidt hat in seinem Gespräch mit Fritz Stern zum Beispiel festgestellt,
dass sich die heutige Politikergeneration relativ wenig für Geschichte interessiert. Stimmen Sie dem zu?
    Â 
    Das würde ich so generell nicht sagen. Wenn ich – und das geschieht ja noch immer recht häufig – zu Veranstaltungen eingeladen werde, dann zumeist, weil man mich als Zeitzeugen befragen oder von mir generell etwas über Geschichte hören will. Andererseits habe ich Anfang der neunziger Jahre mit anderen zusammen die Vereinigung Gegen Vergessen – Für Demokratie gegründet, um die Erinnerung an die Ursachen und Ursprünge des NS-Gewaltregimes, an den Widerstand und die Opfer jener Zeit und auch an die zweite Diktatur auf deutschem Boden wachzuhalten. Sie vermittelt Geschichte im Sinne des »Nie wieder! Nicht noch einmal !« und stärkt so die Demokratie.
    Â 
    Ist Geschichtsbewusstsein eine unbedingte Voraussetzung für Politik?
    Â 
    Ja. Wer nicht weiß, woher er kommt, der weiß auch nicht, wo er sich befindet und wohin ihn sein Weg führen wird. So lautet eine alte Volksweisheit. Der amerikanische Philosoph und Schriftsteller George de Santayana hat sogar einmal gesagt: »Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.« Es muss ja nicht jeder Politiker gleich ein ausgebildeter Historiker sein. Aber über die Geschichte des eigenen Landes, gerade
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