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Wie wollen wir leben

Wie wollen wir leben

Titel: Wie wollen wir leben
Autoren: Sandra Maischenberger
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über die des letzten Jahrhunderts, sollte man schon einigermaßen im Bilde sein.
    Â 
    Man könnte aber meinen, dass der Politiker der Gegenwart nicht nur die Geschichte kennen sollte, sondern im besten Fall auch Wirtschaftswissenschaften studiert haben, wenn möglich noch Finanzwissenschaften, um Einschätzungen treffen zu können.
    Â 
    Und natürlich auch Jura! Aber das ist ja utopisch und wäre eher kontraproduktiv. Es genügt, wenn er auf einem Gebiet Fachkenntnisse besitzt und weiß, wo und wie er sich auf den anderen Gebieten die jeweils notwendigen Informationen beschaffen kann.
    Â 
    Wenn Sie abwägen sollten: Wie wichtig ist dann zum Beispiel das Wirtschaftswissen gegenüber dem geschichtlichen Wissen?

    Â 
    Man braucht in beiden Richtungen eine Art Grundwissen. Wirtschaftliches Wissen kommt übrigens nicht ohne einen Blick in die Vergangenheit aus. Man braucht Kenntnisse über den »reinen« Kapitalismus und die soziale Marktwirtschaft, über den Kommunismus und über die Planwirtschaft. Man muss sich mit den Gedanken des amerikanischen Volkswirtschaftlers John Kenneth Galbraith und den Theorien eines John Maynard Keynes auseinandersetzen. Und es gibt im Kapital von Karl Marx, seinem Hauptwerk, Darlegungen über die Globalisierung, die sich auch heute noch zu lesen lohnen. Aber das sind nur Beispiele.
    Â 
    Bei all den einschneidenden Veränderungen, die wir in letzter Zeit erlebt haben, einschließlich der Schuldenkrise – wenn Sie eine Prognose wagen würden: Wohin wird uns diese Zäsur führen? In welcher Art und Weise wird sie unsere Gesellschaft, unser Land verändern?
    Â 
    Der Staat wird seine Verpflichtungen und Möglichkeiten wieder deutlicher wahrnehmen. Man wird den Markt weiter als sinnvolles Instrument nutzen, aber man wird ihm, weil er für die ökologischen und sozialen Folgen seiner Entscheidungen blind ist, präzise Rahmenbedingungen setzen. Und vor allen Dingen wird die Finanzkrise dazu führen, dass die Frage der Staatsverschuldung ganz oben auf der Tagesordnung bleibt – und zwar nicht nur wegen der Fälle in Europa, über die man aktuell redet, sondern beispielsweise auch wegen einem Land wie den Vereinigten Staaten. Man wird die Rating-Agenturen, die eine große Mitschuld an der Krise tragen, unter die Lupe nehmen müssen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man den gegenwärtigen Zustand, bei dem private Gesellschaften ohne wirkliche Eigenhaftung über Wohl und Wehe von Staaten durch ihre Herab- oder Heraufstufung entscheiden, so einfach weiterlaufen lässt. Und man wird sich um die noch immer fortbestehenden Steueroasen wie die Cayman Islands oder die Grenadinen kümmern müssen. Also, der Druck in Richtung Rahmensetzung und der Druck in Richtung internationaler Zusammenarbeit wird sich verstärken. Ich bin ja überhaupt der altmodischen Meinung, dass Krisen auch immer einen Anstoß zur Besserung geben können.

    Â 
    Sie glauben an eine Renaissance der Politik?
    Â 
    Daran glaube ich. Die Menschen haben erkannt: Überlässt man alles dem Markt, dann treten solche Krisensituationen ein, unter denen die Menschen bitter leiden. Dabei spüren wir das ja gar nicht so stark wie viele andere Völker in der Welt. Der Staat, der in der Vergangenheit immer geschwächt werden sollte – man bevorzugte das Private vor dem Staatlichen –, wird wieder eine Rolle spielen müssen, die seiner Verantwortung entspricht. Und das heißt: Er muss handeln.
    Â 
    Nehmen wir aber einmal den Worst Case an: Es könnte auch eine negative Entwicklung eintreten, bei der es nicht zu einer Renaissance der Politik kommt, sondern im Gegenteil zum chronischen Versagen ihrerseits. Wenn die Staaten zum Beispiel nicht gemeinsam und koordiniert gegen die Schuldenlast vorgehen, könnten, etwa durch eine hohe Inflation, überall in Europa die Menschen ihr Erspartes verlieren, ihren Wohlstand. Halten Sie das für überhaupt nicht möglich?
    Â 
    Ich schließe es nicht aus. Es ist durchaus denkbar, dass die Dinge sich zum Schlechteren wenden. Aber ich sehe deutliche Anzeichen dafür, dass diejenigen, auf die es ankommt, die Tragweite dessen, was jetzt zu entscheiden und zu bewegen ist, erkannt haben – und zwar nicht nur in den unmittelbar betroffenen Ländern.
    Sicher gibt es auch bei uns Leute, die wieder zur D-Mark zurückkehren wollen, die die Euro-Gruppe einfach
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