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Wie man leben soll: Roman (German Edition)

Wie man leben soll: Roman (German Edition)

Titel: Wie man leben soll: Roman (German Edition)
Autoren: Thomas Glavinic
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Pflicht an, der Exekutive wahrheitswidrig zu versichern, Mutter sei nicht zu Hause. Zuzugeben, dass die Amokläuferin in den Duschvorhang gewickelt ihren Rausch ausschläft, hieße mit der Staatsgewalt kollaborieren. Und so zwistig das Verhältnis zwischen Mutter und Sohn zuweilen sein mag, in der Konfrontation mit der Polizei steht man vereint. Zumal die Nachbarin eine Ziege ist.
    Am Morgen darauf bespricht man mit Mutter das Geschehnis. Hier zeigt sich weitere Eintracht. Beide finden den Überfall auf die Nachbarin erbaulich. Die strafrechtlichen Folgen will die Mutter allerdings nicht tragen. Sie sucht einen Anwalt auf, ummit diesem die möglichen Konsequenzen des Blackouts zu erörtern.
    Es wird beschlossen zu leugnen. An diesem Abend hat Mutter geschlafen. Die Nachbarin muss sich die Verletzungen auf andere Weise zugezogen haben, es handle sich um einen Fall boshafter Verleumdung. Zum Kronzeugen der Verteidigung wird – man selbst.
     
    Wenn man mit siebzehn Jahren vor Gericht aussagt, ist man so nervös, dass man sich beinahe in die Hose macht.
    Mitleidig fragt die Richterin mehrmals, ob man eine Pause wünsche, ob man Wasser wolle. Zu allem Überfluss wird man von ihr geduzt. Der Auftritt ist so peinlich, dass Mutter und der Anwalt auf den Sitzen zu rutschen beginnen. Glücklicherweise bekommt man seine Unsicherheit schließlich doch unter Kontrolle. Auch durch die bohrenden Fragen des Rechtsvertreters der Klägerin ist man nicht mehr zu erschüttern.
    Während der Befragung wendet man die Augen nach links. Dort sitzen zwei junge Frauen. Weil sie in einem dicken Buch nachschlagen und sich etwas notieren, ist anzunehmen, dass es sich um Juristinnen, um Praktikantinnen handelt. Sie tragen kurze Röcke und schwarze Strümpfe. Der Richterin gibt man nur noch zerstreut Antwort.
    Nach dem Freispruch der Mutter wird eine Feier mit dem Anwalt im Café Braun improvisiert. Ständig wird einem auf die Schulter geklopft. Man darf Sekt trinken. Dennoch ist man nicht bei der Sache.
     
    Merke: Wenn man vor Gericht aussagt, stellt man fest, dass es viele schöne Frauen mit schönen Beinen gibt.

 
    Die einmal entfesselte Sexualität junger Leute ist die schiere Raserei.
    Nach der Schule nimmt man im Gasthaus Zum Kelch eine Mahlzeit zu sich. Dann fährt man zu Claudia, die allein zu Hause ist. Rasch sind beide entkleidet. Man beginnt mit dem Liebesspiel. Das geht so jeden Nachmittag, jeden Abend und jede Nacht. Ein faszinierender Unterschied zu früher, als man noch dreimal täglich masturbiert und, weil man nicht wusste, wohin mit dem Zeug, in einen getragenen Socken ejakuliert hat.
     
    Wenn die Freundin ihren siebzehnten Geburtstag feiert, enthemmt sie der Alkohol so sehr, dass sie im Zuge zeitintensiver Vergnügungen im Bett von sich aus neue Wege beschreitet. Man liegt stocksteif da und wird mit Glotzaugen Zeuge, wie das eigene Membrum virile zwischen zwei Lippen verschwindet.
    Dies ist ein äußerst erregender Anblick.
    Von den mit der Handlung selbst einhergehenden Gefühlen wird man bald übermannt. Man begeht den Fehler, der Freundin nichts von einer gewissen bevorstehenden Explosion zu erzählen. Dies führt zu Spucken und der Beschuldigung, man sei ein Schwein. Durch liebevolle Zuwendung, die Bitte um Verzeihung sowie die Versicherung, dies sei ein einmaliges Malheur gewesen, gelingt eine Versöhnung.
    So schnell versucht sie es leider nicht wieder. Aber man kann warten.
     
    Wenn man abends nach Hause kommt, verfällt man auf die Idee, eine Sache zu überprüfen, die einen schon länger beschäftigt.
    Nicht, dass Claudia sich beschwert hätte. Man hat sie darauf angesprochen. Sie hat die Schulter gezuckt und gemeint, alles sei in Ordnung.
    Man geht hinaus, holt ein Maßband. Schließt sich wieder ein und überlegt.
    Lange Zeit hatte man gedacht, man sei normal. Man hatte sich darüber nicht den Kopf zerbrochen. Doch wenn man in Lokalen vor den Urinrinnen nach rechts oder links schielt, gibt einem das zu denken. Es ist möglich, dass es sich so verhält wie bei einer Fahrt durch die Stadt: Man ärgert sich ständig über rote Ampeln, die grünen hingegen sieht man gar nicht. Aber sicher kann man sich da nicht sein. Nur eine Überprüfung hilft.
    Man erarbeitet sich eine Erektion, eine Handlung, in der man seit Jahren geschult ist. Sobald das gewünschte Ergebnis bereitsteht, legt man das Maßband an, und zwar nicht an der Unterseite des Gliedes, sondern oben, an der Bauchhaut.
    Da man ein absurdes Ergebnis
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