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Wie man leben soll: Roman (German Edition)

Wie man leben soll: Roman (German Edition)

Titel: Wie man leben soll: Roman (German Edition)
Autoren: Thomas Glavinic
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man als siebenundachtzigprozentiger Sitzer die dreizehn Prozent Nichtsitzer schon beim Flirten verbraucht hat, lässt man all dies über sich ergehen. Die Fragen der Moderatorin. Die Komplimente von einigen Zuschauern, man sei zum Knuddeln, zum Nach-Hause-ins-Bett-tragen-und-Zudecken. Das Lob einer kichernden Oma, man sei der Süßeste von allen gewesen und ein ganz lieber Kerl. Sogar den darauf aufbrandenden Applaus nimmt man hin, und zuletzt schüttelt man »Nadine« dieHand, die auf die Bühne kommt, um ihren verdienten Beifall abzuholen.
    Nach der Sendung stellen sich einem wildfremde Leute in den Weg, die etwas besprechen wollen. Man schert sich nicht um sie, sondern sucht nach Conny. Von Mirko erfährt man, dass sie wütend gegangen ist.
     
    Wenn einem ein solcher Kanonenschuss ins Ofenrohr gelingt, hat man einige Wochen damit zu tun, Conny wieder zu versöhnen. Mit Recht ist sie beleidigt. Sie wird misstrauisch, fragt, ob man sie betrüge, ob man eine Freundin habe, ob man sie nicht mehr liebe. Im Taxi wird einem stündlich ein Kontrollanruf beschert.
    Am Tag, an dem die Sendung zur Ausstrahlung kommt, ist die Beziehung zwar noch nicht auf dem alten Stand, doch eine Besserung der Verhältnisse kann man nicht übersehen. Natürlich weigert sie sich, die Sendung im Fernsehen anzuschauen, was man selbst für eine ausgesprochen gute Idee hält.
    Wenn man in einer Talkshow zu sehen sein wird, wie man einem schönen Lockvogel Avancen macht, sollte man mit Conny einen Ausflug aufs Land unternehmen, Blümlein pflücken und hoffen, dass diese Tage der Erniedrigung rasch vorbeigehen.

 
    Merke: Wenn man sich im Fernsehen zum Trottel gemacht hat, erhält man in den Tagen darauf viele Anrufe.
     
    Der Faust-Vorsitzende ruft an und sagt, man sei »ganz hervorragend« gewesen, er kenne sich da aus.
    Tante Kathi ruft an und sagt, es sei enttäuschend, dass man seine neue Freundin noch nicht mitgebracht habe.
    Man ruft Mutter an, sie sagt: Super!
    Inge ruft an und tut nichts anderes, als drei Minuten lang zu lachen.
    Fritz aus dem Priamus ruft an und sagt, er kenne da jemanden, der jemanden kenne, und wenn man etwas brauche, solle man sich melden.
    Teamchef Klaus ruft an und sagt, er habe einen im Fernsehen gesehen.
    Drei Unbekannte rufen an, um einem ihre Dienste als Manager anzutragen.
    Tante Kathi ruft noch einmal an und sagt, man solle heute noch vorbeikommen und vielleicht diese neue Freundin mitbringen.
    Der ORF ruft an und teilt mit, dass der Ausschnitt, in dem man vor Nadine auf dem Bauch liegt, in einer bekannten Donnerstagabendshow wiederholt werde, und ob man bereit sei, zu kommen.
     
    Wenn man so ein Angebot erhält, ist man sehr verblüfft, als Conny darauf besteht, man solle hingehen.
    – Du bist nicht ganz bei Trost, kann man sich nicht zu sagen beherrschen. Nach all dem soll diese Sache noch in die Länge gezogen werden?
    – Da musst du hin, beharrt sie. Denk nicht an mich. Da musst du hin.
     
    Wenn man Tante Kathis Ruf Folge leistet und sich bei den Tankels einfindet, ist man überrascht, als sie einen alten Freund der Familie präsentiert, der den Beruf gewechselt habe und einem einen Vorschlag unterbreiten wolle.
    – Aus deiner Geschichte könnte man etwas rausholen, sagt Major Trautmannsdorf. Wenn man die Unglücksfälle etwas beleuchtet   … Ich bin nicht mehr bei der Polizei, musst du wissen.
    Wenn man erfährt, dass der gute Bulle Trautmannsdorf früher ein Kollege von Onkel Johann war, wundert man sich auch nicht darüber, wenn man von ihm eine Visitkarte zugesteckt bekommt, auf der TRAUTMANNSDORF PR-CONSULTING steht. Da man weiß, dass man niemals Bedarf an einem Manager haben wird, verspricht man den Tankels bereitwillig, die Dienste ihres Freundes im Eventualfall in Anspruch zu nehmen.
     
    Zwei Tage lang wird man vom ORF ununterbrochen mit Anrufen bedacht. Man erfährt, dass Hunderte Zuschauer ange rufen und sich nach dem netten dicken Piraten erkundigt haben, der aus der Hand lesen könne. Man müsse unbedingt auftreten, es sei eine große Chance. Eine Chance worauf, fragt man, doch darauf erntet man nur dunkle Andeutungen und Gemurmel.
    Wenn man sich nicht entscheiden kann, ruft schließlich Conny beim ORF an, um zu bestätigen, dass der Idiot aus der Nachmittagssendung für einen weiteren Auftritt bereit sei. Sie ist esauch, die einen an besagtem Tag zum Studio bringt und aufpasst, dass man nicht doch noch die Flucht ergreift.
    Beim zweiten Auftritt gibt man sich so brummelig und
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