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Wie ich mir das Glück vorstelle

Wie ich mir das Glück vorstelle

Titel: Wie ich mir das Glück vorstelle
Autoren: Martin Kordić
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uns vorbeikommt, geben wir uns jetzt immer die Hand. Der kommt noch oft. Der bringt uns noch viele von den verletzten Kriegern in die Gemeinschaft. Ein paar von denen können gut arbeiten. Aber viele können auch nur die Tomaten waschen oder die Kartoffeln schälen. Die Krieger kommen alle mit diesem Mann. An dem Tag, an dem der dicke Dim stirbt, kommt der Mann auch mit dem Bus auf unser Gelände. Hintendrin hat der diesmal nur einen einzigen Krieger. Das ist der Krieger, der jetzt in dem Bett schläft, in dem vorher noch der dicke Dim schläft. In dem Bett über mir.
    Der Krieger kommt aus dem Dorf der Verrückten. Der sitzt im Rollstuhl. Und weil der auch nicht gut arbeiten kann, muss der jetzt das Heft führen. Ich muss auf den Erscheinungsberg und die Aufgabe vom dicken Dim machen. Ich darf das ohne die Schwestern.
    Nach dem Abendgebet schiebe ich den Krieger mit dem Rollstuhl in unser Haus. Der Krieger will oben schlafen. Der kann aber nicht selbst hochklettern. Wenn wir uns abends ausziehen müssen, kommt dann also eine Schwester und hilft uns. Zuerst muss ich mich hinstellen und die Hände oben ans Bett halten. Die Schwester macht mir die Rückenspinne ab. Die Schwester cremt mich ein. Dann kommt der Krieger dran. Ich mache den Beutel von seinem Rollstuhl ab. In den Beutel strullt der rein. Ich hänge den Beutel oben ans Bett. Die Schwester hat einen Eimer dabei und lässt da die ganze Strulle reinlaufen, damit der Beutel wieder leer ist. Die Schwester stellt sich vor den Krieger. Der umarmt die, wie wenn die verliebt sind. Die Schwester ist stark. Die zieht mit ihrem Hals den Krieger so hoch, dass der sich selbst oben am Bett festhalten kann. Wenn der sich da so ranklammert, drücke ich von unten gegen seinen Po. Die Schwester kommt schnell rum und wir schieben ihn hoch ins Bett. Zum Glück ist der Krieger aus dem Dorf der Verrückten gar nicht dick. Wir bekommen das zu zweit gut hin.
    Seit nicht mehr alle in dem Zelt schlafen, ist es ruhiger nachts. Es gibt jetzt viele kleine Häuser. Die haben alle ein Zimmer. In ein Zimmer passen fünf Hochbetten. Der Krieger und ich haben mit den anderen Kindern und Kriegern nichts zu tun. Die anderen wollen mit uns nichts zu tun haben. Die haben Angst, dass wir was über sie aufschreiben. Dass der Krieger ein Messer hat, weiß keiner. Das ist ein Taschenmesser und das klemmt der unter den Rahmen vom Rollstuhl. Wenn du vor ihm stehst und auf den Rollstuhl guckst, kannst du das Messer nicht sehen.
    Jeden siebten Tag muss keiner arbeiten. Ich muss nicht auf den Erscheinungsberg. Die anderen müssen nichts bauen und auch nichts auf dem Acker machen. Nur die vielen Gebete und das Essen sind wie immer. Manchmal wollen meine Brüder, dass ich das Ta-ta-Spiel mitspiele. Aber jetzt bin ich zusammen mit dem Krieger hinten bei den Ställen. Wir gucken uns die Tiere an. Wir stehen bei den Ziegen und es ist ganz still. Früher sind das mal sieben Ziegen. Aber die Schlange tötet zwei Ziegen. Ich töte die Schlange. Jetzt gibt es noch fünf Ziegen und die sind auch alle da. Die Kinder sind bei der Kapelle und spielen Ta-ta. Die anderen Krieger sitzen ganz hinten bei der Mauer und singen ein Lied. Der Schäferhund liegt neben uns unter dem Baum. Der Hund schläft. Ich setze mich auf die Stallmauer und der Krieger steht mit seinem Rollstuhl am Gitter und guckt da durch die Stangen. Ich erzähle ihm die Geschichte vom dicken Dim.
    Der Krieger sagt: Hast du ihn in den Brunnen geschubst?
    Ich sage: Wie bitte?
    Der Krieger sagt: Das ist ja gar nicht schlimm.
    Ich sage: Ich?
    Der Krieger sagt: Du.
    Ich sage: Was ist das für eine Frage?
    Der Krieger sagt: Hast du ihn in den Brunnen geschubst?
    Ich sage: Der dicke Dim ist von allein reingesprungen.
    Abends liegen wir im Bett und ich kann nicht einschlafen. Der Krieger ist auch wach. Draußen ist es ganz still. Der Krieger aus dem Dorf der Verrückten flüstert was von oben runter.
    Der Krieger sagt: Du warst es.
    Es ist in diesem Sommer, dass ich das erste Mal seit langer Zeit aus der Gemeinschaft von den Söhnen Marias rauskomme. Zwei Schwestern fahren mich mit dem Auto zum Erscheinungsberg. Auf dem Weg stehen rechts und links von der Straße ganz viele Bäume.
    Ich frage die Schwestern: Was sind das für Bäume?
    Die Schwestern sagen: Das sind Kiefern.
    Die Schwestern zeigen mir den Weg hoch zum Gipfel und erklären mir meine Aufgabe. Ich bekomme eine Büchse und einen Stoffbeutel. Solche Stoffbeutel nehmen Menschen mit, die durch die
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