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Wie ich mir das Glück vorstelle

Wie ich mir das Glück vorstelle

Titel: Wie ich mir das Glück vorstelle
Autoren: Martin Kordić
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Ich gehe wieder rein in die Bude.
    Am nächsten Morgen ist der einbeinige Dschib auch nicht da. Ich gucke auf die Wand neben mir. Hundertneunundvierzig Elefanten male ich da schon hin. Ich bringe die Metallteile und die Patronen ins Nebenzimmer. Da fehlen zwei Tüten Schießpulver. Einer nimmt sie hier weg. Ich gehe hinters Haus und gucke mir unsere Sachen an. Da fehlt nichts.
    Ich gehe unsere Straße runter. Zu der Frau mit den Hühnern. Ich haue gegen die Bretter. Die macht nicht auf. Ich haue noch einmal gegen die Bretter. Ich kann hören, wie die Hühner rumgackern. Ich sehe, wie oben einer die Pappe vom Fenster zieht. Die Frau guckt raus.
    Ich sage: Haben Sie den einbeinigen Jungen gesehen? Der wohnt drei Häuser weiter.
    Die Frau sagt: Ein Einbeiniger?
    Sie lacht und zieht die Pappe wieder zu.
    Ich gehe zu Brücke eins. Kein Krieger kontrolliert, also laufe ich schnell rüber. Ich komme am Hotel Vegas vorbei. Von außen sind Bretter an die Fenster und Türen genagelt. Wo schlafen die Menschen aus den anderen Ländern, wenn die nicht im Vegas schlafen? Bist du auch aus einem anderen Land?
    Ich gehe zur Ausgabestelle. Zwei Frauen stehen hinter den Töpfen und verteilen Polenta mit heißem Wasser. Die Schlange ist nicht lang. Ich stelle mich an. Ich bekomme eine Plastikschale mit einer großen Kelle. Der Brei ist dünner als sonst. Ich werfe die Schale in die große Mülltüte.
    Über Brücke zwei gehe ich wieder auf unsere Seite vom Fluss. Als ich am Zoo ankomme, gehe ich durch das Loch im Zaun. Ich gehe zu den Elefanten. Ich gehe in die Höhle. Die Alte ist nicht da. Es sieht aus, wie wenn die Alte hier nie da ist. Kein Ofen, keine Tüten, kein Krankenhausbett. Nichts. Das Auto ist nicht da. Die Tiere sind nicht da. Das Beet ist nicht da. Ich gehe zu den Robben. Unser Mädchen sitzt noch immer am Felsen. Ich verscheuche ein paar Vögel und mache ihr die Haare aus dem Gesicht.
    Ich gehe raus aus dem Zoo. Ich gehe am Kaufhaus entlang, hoch Richtung Norden. Bei den umgekippten Sattelschleppern steht ein Krieger mit einem Maschinengewehr vor der Brust. Ich erkenne nicht, zu wem der gehört.
    Der Krieger sieht mich und sagt: Mach, dass du verschwindest.
    Also biege ich rechts ab und gehe zu unserer Bude. Ich lege mich in meine Ecke. Ich schreibe eine Seite von der Geschichte. Ich schlafe kurz ein. Als ich die Augen wieder aufmache, denke ich erst, dass da der einbeinige Dschib in seiner Ecke liegt. Aber das ist Tango. Der Hund guckt mich an. In der Stadt ist es still wie lange nicht. Ich höre keinen.
    Ich nehme mir eine leere Plastiktüte aus dem Küchenschrank. Die Holzkiste mit meinen Sachen nehme ich auch mit. Ich gehe hinters Haus. Die Schubkarre steht noch immer da, wo ich sie gestern hinstelle. Mit unserer Schaufel grabe ich ein Loch. Tango hilft mir. Wir machen kein tiefes Loch. Aber so, dass die Kiste reinpasst. Ich mache die noch mal auf und gucke mir alles an. Das versteinerte Stück Holz von dem Vater, das Foto von dem Jungen und dem Bruder aus dem Gärtchen, den Zauberwürfel. Das Taschenmesser lege ich dazu und das Zippo auch. Den Brief von der Oma klemme ich in dieses Heft. Zusammen mit dem Bleistift werfe ich es in die Plastiktüte. Ich drücke die Kiste runter in die Erde. Ich buddle das Loch wieder zu.
    Der einbeinige Dschib kommt nicht wieder. In unserer Bude ist keiner mehr. Vielleicht findet einer das restliche Schießpulver und das Metall und der kann das tauschen oder richtig damit kämpfen.
    Ich gehe am Fluss entlang. Die Plastiktüte mit dem Heft binde ich mir ans Handgelenk. Ich gehe Richtung Süden. Vorbei an Brücke eins. Vorbei an den Resten von der alten Brücke. Von hier aus sehe ich die Schule und das ausgebrannte Kaufhaus. Oben auf dem Berg vor mir ist das Jesuskreuz. Den verrosteten Panzer kann von hier unten keiner sehen. Ich gehe auch vorbei an Brücke zwei. Tango folgt mir. Manchmal läuft der ein paar Meter vor mir. Manchmal lässt der sich zurückfallen. Als wir schon lang aus der Stadt raus sind, schießt er plötzlich an mir vorbei und wartet erst an der nächsten Flussbiegung auf mich. Wir gehen immer am Fluss entlang. Nur am Fluss. Die Sonne scheint. Keine einzige Wolke ist am Himmel. Wir wandern durch Täler und Schluchten. Im Schatten von einem Felsen machen wir eine Pause. Wir ruhen uns aus. Ich mache das Unterhemd nass. Ich sehe einen Fisch im Fluss schwimmen. Er schwimmt in die Richtung, in die wir weitergehen wollen. Wir kommen durch ein Dorf. Ein paar Häuser stehen
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