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Wie ich mir das Glück vorstelle

Wie ich mir das Glück vorstelle

Titel: Wie ich mir das Glück vorstelle
Autoren: Martin Kordić
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da rum, eine Wassermühle und drei Ställe. In einer Hofeinfahrt sind ein paar Weinreben und ich pflücke mir die Trauben ab. Vor einem Futtertrog liegt das Skelett von einer Kuh. Bei einer Garage hängt in einem Gebüsch eine von den Tüten, mit denen ich das Schießpulver sammle. Kannst du den einbeinigen Dschib hier irgendwo sehen? Einen Tag lang warten wir auf ihn. Aber der taucht nicht auf. Also gehen wir weiter. Wir treffen keinen. Einmal müssen wir den Weg vom Fluss verlassen. Ich kann nicht über die Felsen klettern, die da sind. Wir gehen durch einen Wald. Ein paar Vögel sind oben in den Bäumen. Als wir da langgehen, falle ich in ein Loch. Das buddelt einer und deckt es mit Blättern zu, damit ich da reinfalle. Tango steht oben und ich höre, wie er bellt. Er haut ab und kommt nicht mehr zurück. Ich wühle in den Blättern rum und gucke, ob da vielleicht ein Brett liegt. Aber ich finde nur einen Helm und einen Stiefel. Ich drehe den Helm um und da liegt ein Gebiss auf dem Boden. In dem Stiefel hängt noch das Schienbein. Ich kann nicht rausklettern. Eine Nacht sitze ich schon in diesem Loch und auch dieser Tag ist bald wieder rum. Die Sonne ist schon fast weg. Ich höre, wie oben einer was durch den Wald schleift. Ein großes Tier mit seiner Beute. Aber dann schubst Tango von oben eine Wanne runter. Eine Aluwanne ist das. Eine Wanne, in der einer früher Babys badet. Ich drehe die Wanne um und steige drauf. Gerade so komme ich jetzt oben an den Boden und da ist eine große Wurzel. Da kann ich mich dran festhalten. Ich schaffe es nicht gleich. Ich brauche ein paar Versuche, bis ich so an der Wand rumstrampeln kann, dass ich mich da rausziehe. Tango bellt und springt an mir hoch. Der will mir was zeigen. Ich binde mir schnell wieder die Plastiktüte mit dem Heft ans Handgelenk und gehe ihm hinterher. Tango läuft immer ein paar Meter vor und wartet dann auf mich. Wir kommen aus dem Wald raus. Rechts von uns können wir in der Dämmerung wieder den Fluss sehen. Hier ist ein Pfad. Auf dem Pfad geht schon lange keiner mehr. Sträucher wachsen rechts und links in den Weg. Der Pfad führt immer höher in die Berge. Ich will mich ausruhen, aber Tango bellt ganz laut. Ein kleines Stück noch. Oben sehe ich ein paar Häuser auf dem Gipfel stehen. Als wir da ankommen, ist es schon dunkel. Nur der Mond leuchtet und die Sterne. Keiner lebt da. Keiner ist da. Als plötzlich ein Bock neben uns auf einem Felsen steht. Wir schauen ihn an. Der schaut uns an. Der Bock macht ein paar Sprünge und dann kann ich den nicht mehr sehen in der Dunkelheit. Wir gehen langsam zwischen den Häusern herum. Alte Steinhäuser sind das. Die meisten von den Häusern sind Ställe oder Heuschuppen oder Räucherscheunen. Eine kleine Kapelle steht dort. Davor sind Gräber. Wir gehen da hin. Das sind Marmorgräber und der Stein ist warm. Tango und ich legen uns auf den Marmor. Ich binde mir die Tüte vom Handgelenk. Wir ruhen uns aus. Wir frieren nicht. Wir schlafen ein.
    Erst als morgens die Grillen heulen, mache ich die Augen wieder auf. Die Sonne scheint mir ins Gesicht. Ich fahre mir mit der Zunge über die Lippen. Ich habe Salz auf den Lippen. Ich stehe auf. Von hier oben kann ich es endlich sehen. Ich sehe das zum ersten Mal in meinem Leben. Trotzdem weiß ich ganz genau, dass ich jetzt da bin. Ich bin am Meer. Das ganze Land unter mir ist voller Wasser. Und alle Toten, die mit ihren Geschichten neben mir in den Gräbern liegen, die sehen das auch.
DER LETZTE TAG
    Die Plastikschale auf den Knien, weiß der Junge zunächst nicht, wie er den Fisch mit seinen Händen greifen und zum Mund führen soll. Mit der Linken packt er ihn am Kopf und mit der Rechten reißt er sich einen großen Lappen vom Bauch heraus. So stopft er sich Stück für Stück in den Mund. Innerhalb weniger Sekunden hat er das ganze Tier verschlungen. Er kann sich nicht daran erinnern, jemals zuvor in seinem Leben etwas so Köstliches gegessen zu haben. Der Junge bleibt an der Fährmauer auf der Treppe sitzen, bis der Mond hoch über dem Meer steht und er in weiter Ferne die Lichter eines Schiffes erkennen kann. Der Junge steht auf, zieht sich sein Unterhemd aus und greift sich hinten an den Rücken. Er öffnet die Schnallen seines Korsetts.
KINDER UND KRIEGER
    Wir sind ein ganzer Haufen von bekloppten Kindern. Das sagen die Krieger. Ihr seid ein ganzer Haufen von bekloppten Kriegern. Das sagen wir. Zusammen sind wir ein ganz großer Haufen von bekloppten Kindern und
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