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Wie Du Mir

Wie Du Mir

Titel: Wie Du Mir
Autoren: Ellen Dunne
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Aber keiner schärfte seine Krallen so einfach an Jennys Platz auf der Couch.
    Will zog sich vom Fenster zurück und schloss die gelb und blau karierten Vorhänge. Jenny hatte sie ausgesucht, mit ihrem Faible für alles Schottische.
    Das elektrische Summen des stumm geschalteten Fernsehers machte ihn nervös. Mit der Fernbedienung stellte er lauter. Es lief eine Folge von „Fawlty Towers“, die er zu oft gesehen hatte, um darüber zu lachen. Vielleicht lag es auch daran, dass er seit Monaten nicht mehr gelacht hatte, wer wusste das schon. Zumindest waren es Stimmen. Begleitet von John Cleeses Näseln, wechselte er aus dem Wohnzimmer quer über den Flur in die Küche.
    Da lag er immer noch, gleich unter dem Treppenabsatz. Der kleine Teppich mit orientalischem Muster, ein blaues Rechteck auf beigefarbenem Spannteppichboden. Hellbeige im Vorzimmer – wie war er jemals auf diese glorreiche Idee gekommen? Seine Schwester Claire hatte den Mini-Perser gekauft, um die weißen Kreise zu überdecken, in die der Fleckenentferner das Blut verwandelt hatte. Das hätte er ihr vorher sagen können. Chlor und Farbe vertrugen sich nicht.
    Anfangs hatte Will Stunden kniend verbracht, auf der vergeblichen Suche nach Resten von Braun im Weiß. Seitdem versuchte er, den Teppich zu ignorieren, die ewig selben Erinnerungen auszusperren. Bisher ohne Erfolg. Wie unerwünschte Gäste stellten sie ihren Fuß in die Tür seines Bewusstseins, machten sich darin breit, legten ihre verdreckten Schuhe auf den Tisch, forderten seine ungeteilte Aufmerksamkeit.
     
    Das Scharren vor der Haustür. Als würde jemand den Fußabstreifer benutzen. Ausgerechnet jetzt, zu Beginn ihrer „Coronation Street“-Sitzung.
    Jennys Blick über den Rand ihrer Tasse heißer Gute-Nacht-Milch war erstaunt und neugierig zugleich. Sie stellte sie zurück auf den Beistelltisch, beugte sich nach vorne. Das Quietschen der Couchfederung.
    „Kommt Hugh heute noch vorbei? Sonst kommt er immer vor Mitternacht.“
    Späte Besucher waren nichts Ungewöhnliches. Wills Kollegen, allen voran Hugh Hackney, kamen manchmal während ihres Spätdienstes für eine Tasse Tee oder einen Drink vorbei. Jennys Freundinnen folgten ohnehin einem völlig verschobenen Biorhythmus.
    Doch kaum einer dieser Besuche erfolgte ohne Anmeldung. Will mochte Spontaneität, solange er Zeit hatte, um sich darauf vorzubereiten. Deshalb mischte sich in Jennys Blick auch etwas Überdruss vor dem unvermeidlichen Vortrag über die Diskrepanz zwischen Unternehmungsgeist und Höflichkeit, den ihr Will nach Abreise der Gäste halten würde. Sie stellte die Tasse neben sich auf die Sitzfläche der Couch. Ihre Lieblingstasse mit einem aufgemalten Elefanten, die Henkel waren Rüssel und Schwanz.
    „Ich geh schon“, sagte sie. Als lebte sie noch immer in ihrem verschlafenen Heimatort Strangford. Als wäre sie nicht mit einer wandelnden Zielscheibe verheiratet.
    Ein unbekanntes Gesicht, ein ungewöhnlich abgestelltes Auto, Geräusche an der Tür zur falschen Zeit. In seinen bald 25 Dienstjahren für die Polizei hatte Will gelernt, Unregelmäßigkeiten als das zu deuten, was sie sein konnten: der Auftakt eines Anschlags. Für die IRA war jedes Mitglied der Sicherheitskräfte ein sogenanntes legitimes Ziel, egal ob im Einsatz oder auf der heimischen Couch.
    Doch nie war etwas passiert. Das Monster Angst war zahnloser geworden – und träger.
    „Nicht aufmachen, Jenny!“
    Sie drehte sich um, direkt unter der Tür zum Flur. In ihrem brombeerfarbenen Schlaf-Shirt sahen ihre Teenagerbeine unnatürlich kurz aus.
    „Himmel, wieso –“
    Ihre Frage wurde von einer Explosion aus Holz und sich verbiegendem Metall zerfetzt. Das Ende einer Haustür.
    Danach war alles still, wie in einem dieser Theaterstücke, in denen die Schauspieler für einen Szenenwechsel mitten in der Bewegung erstarrten.
    Will, auf halbem Weg zwischen Couch und Flur.
    Jenny, den Mund geöffnet zu einem Aufschrei, der keinen Ausweg fand, die zum Eingang starrte, auf etwas – jemanden –, den Will noch nicht sehen konnte. Jemand holte Luft.
    „Irisch Republikanische Armee. Gehen Sie weg von der Tür, Lady, und Ihnen passiert nichts.“
    Jenny bewegte sich nicht, starrte nur.
    „Hörste schlecht? Weg von der Tür!“
    Szenenwechsel. Plötzlich lief alles im Zeitraffer. Jenny schrie auf, dann war sie um die Ecke verschwunden, zur Treppe, nach oben. Klatsch, klatsch, klatsch, ihre Fußsohlen auf den frisch abgeschliffenen und lackierten Treppen waren
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