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Wie Du Mir

Wie Du Mir

Titel: Wie Du Mir
Autoren: Ellen Dunne
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hat’s mir im Internet gezeigt. ’Ne gute Sache.“
    „Ja, wir erhalten viel Zulauf. Die meisten Leute wollen verzeihen. Leider gibt es noch so viele junge Leute, die falsche Entscheidungen treffen. Deshalb bin ich auch hier.“
    Seine Augen weiteten sich, schwer zu sagen, ob aus Interesse oder aus Angst.
    „Es gibt da ein Haus, das wir zu einem Jugendzentrum ausbauen. Wir brauchen jemanden, der die Jungs bei den Innenarbeiten beaufsichtigt, ihnen sagt, was zu tun ist, und so weiter.“
    „Und ihnen dabei erzählt, wie sie ihr Leben in den Griff bekommen? Sie wollen, dass ich das mache?“
    „Warum nicht?“
    Er holte Luft und öffnete den Mund, sah aus dem Fenster und suchte nach Worten, ließ sie fallen, sammelte sie wieder auf.
    „Kate, ich kann das nicht. Wenn man so viel falsch gemacht hat wie ich …“ Er verlor den Faden.
    „Eben darum sollten Sie diese Erfahrungen teilen. Sie können ein Vorbild –“
    „Ich bin ’n Mörder, kein Vorbild“, unterbrach er sie schroff. „Ich war zehn Jahre meines Lebens im Knast. Ich wär’ immer noch dort ohne die ganze Chose mit dem Karfreitagsabkommen. Wär’ auch besser so, dann hätte ich wenigstens irgendein Gefühl von Gerechtigkeit.“ Er hielt den Atem an, fuhr dann in gesenkter Lautstärke fort. „Aber so wird’s jedes Jahr schlimmer. Komisch, dabei heilt Zeit angeblich alles.“ Er nahm einen Schluck aus seiner Tasse, setzte sie lauter ab als notwendig. Im Gegenlicht stand ihm die jahrelange Schlaflosigkeit ins Gesicht geschrieben. Draußen begann es rhythmisch zu krachen, und er erschrak, entspannte sich dann wieder. Gemeinsam lauschten sie, wie riesige Hämmer Stahlpfosten für ein neues Bürogebäude in die Erde rammten. Die Melodie des Wirtschaftsbooms.
    „Wir haben mit Ihrer Familie gesprochen.“
    Jetzt regte sich etwas unter der gefrorenen Oberfläche seiner Pupillen.
    „Da haben Sie mir was voraus.“
    „Sie würden es sehr gerne sehen, wenn –“
    „– wenn Seán wieder auferstehen würde?“ Seine Augen wurden glasig und er sah an die Decke. „Wissen Sie, ich hätte es auch gerne gesehen, wenn mich mal jemand besucht hätte, aber niemand ist aufgetaucht. Drei Jahre lang nicht – und danach auch nur Ma, ganz klammheimlich. Haben sie Ihnen das auch erzählt?“
    „Dass Sie beim Prozess die Aussage verweigert haben, war für Ihre Familie schwer zu verstehen, aber inzwischen –“
    „Was gibt’s da nicht zu verstehen? Hätt ich nicht den Mund gehalten, hätten die meine Eltern aus dem eigenen Haus geräuchert, so wie die von Liam. Dem ist das vielleicht egal, aber mir nicht.“ Er lachte wieder sein bitteres Lachen. „Und welchen Unterschied hätte es gemacht? Jetzt sind sowieso alle wieder draußen. Hanlon, Rooney, alle. Der gute alte Liam kann sich jetzt für den Rest seines Lebens verstecken – und wofür?“ Er wischte sich mit dem Handrücken über den Mund und schnüffelte, wartete auf eine Reaktion von Kate, die einen noch stärkeren Gefühlsausbruch herausforderte.
    „Ihre Familie ist bereit für einen Neuanfang. Was jetzt fehlt, ist ein Signal von Ihnen. Sie haben so viel hinter sich, warum machen Sie es sich zur Abwechslung nicht mal leichter?“
    „Jaja, aufhören, ich hab verstanden.“ Er sprang auf und wandte sich ab, griff nach der Küchenrolle und putzte sich die Nase.
    An der Tür klimperte es. Kleidung raschelte, Absätze klackerten auf dem Holzboden, dann stand Marie Ferguson in der Tür, ein schlafendes Mädchen auf dem Arm, noch in Mütze und Winterjacke, das Gesicht von der Kälte gerötet. Fergusons Lippen formulierten ein stummes Was soll das?
    „Beschwer dich bei deinem Sohn, der hat das eingefädelt“, sagte sie ruhig, zwinkerte Kate dann zu. Sie verschwand wieder nach draußen und die Treppe hinauf. Ihre Schritte knarrten im oberen Stockwerk.
    Er lehnte sich zurück, verschränkte die Arme und hob den hinteren Teil seiner rechten Augenbraue hoch, während sich die linke kräuselte.
    „Ben also, ja?“ Es klang mehr stolz als zornig. „Der hat wirklich ’nen Narren an Ihnen gefressen.“
    „Er hat geschrieben, wie sehr Sie unter der Vergangenheit leiden, und glaubt, das würde Ihnen helfen.“
    „Ben ist achtzehn. Der meint eben, er kann die Welt alleine retten.“
    „Warum helfen Sie ihm nicht dabei?“
    Er schüttelte wieder den Kopf, lachte. Diesmal zeigten sich seine Zähne, auffallend klein und spitz für einen Mann.
    „Sie haben auf alles ’ne Antwort oder?“
    „Überlegen Sie es
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