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Wie Du Mir

Wie Du Mir

Titel: Wie Du Mir
Autoren: Ellen Dunne
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Fußmärsche waren in Teiletappen leichter zu ertragen. Das hatte er von Theresa gelernt, die ihn mit allen erdenklichen Tricks für ihr lästiges Hobby zu begeistern versuchte. Für Strecken unter einer Meile wies sie grundsätzlich jede Autofahrt zurück, sogar jetzt, als sie im siebten Monat ihrer Schwangerschaft war und die Grazie eines Bierfasses annahm. Die Bemerkung hatte JR letzte Woche bei einem Pint zu dritt gemacht. Theresa hatte den Kopf in den Nacken gelegt, ihre erdbeerblonden Federchen geschüttelt und schallend gelacht. Sie wusste genauso wie Lucky, dass JR seine Zuneigung, wenn überhaupt, in Beleidigungen ausdrückte. Lucky grinste. JR hatte heute eine ideale Gelegenheit verpasst, sich über sein Unglück lustig zu machen. Geschah ihm recht. Schon wieder die angeblichen Magenschmerzen. Das war doch kein Grund, ihn für so ein wichtiges Spiel zu versetzen. Vielleicht wollte sich JR aus dem Training übermorgen rausreden? Die alte Memme sollte sich unterstehen. Er brauchte moralische Unterstützung, denn er würde Liam wieder in die Augen sehen müssen, zum ersten Mal seit ihrer seltsamen Unterhaltung vor drei Wochen.
    Bisher hatte JR sich immer hinter idiotischen Kommentaren verschanzt, wenn Lucky ihn nach seiner Meinung dazu gefragt hatte.
    Deine Adleraugen bringen uns noch alle ins Grab, hatte er gemeint und das Ende seiner wie aufgemalt dichten, rechten Augenbraue nach oben gezogen, die linke skeptisch gekräuselt. Am besten vergisste die Sache ganz schnell.
    Manchmal war JR so ein Arschloch. Vielleicht hätte er es ihm gar nicht erzählen sollen. Aber er war auch Luckys Partner, und er vertraute ihm. Er wusste immer, was zu tun war. Sogar bei der Florida Drive Operation. Seitdem stand er aber etwas neben sich. Guckte nur noch finster und zuckte die Achseln, wenn man ihn nach dem Grund fragte. Natürlich schob er alles auf die Trennung von Marie.
    Andere konnte er damit vielleicht überzeugen, aber nicht Lucky. Egal, wie sehr er in JRs Schuld stand – er würde mit ihm reden müssen beim Training. Und wenn er ihn dorthin treten musste.
    Am Ende des Dunville Parks geriet sein zäh gewordener Gedankenstrom ins Stocken. Etwas an der Reihe von Autos, die am Ostrand hinter dem Kinderspielplatz abgestellt waren, war anders – und gleichzeitig bekannt. Als er die Reihe passierte, fiel ihm ein, dass er den Ford Transit schon einmal gesehen hatte. Weiß, makellos, ohne die üblichen Werbebeklebungen oder Dreckspritzer hatte er um die Ecke seines Hauses in der Brassey Street gestanden, als er sich auf den Weg zu McCluskey’s gemacht hatte. Jetzt parkte der Transit genau zwischen den Federwippen. Unbeleuchtet, wie schon vorhin.
    An der Innenseite seines Magens kratzte es, und einen Augenblick überlegte er, umzukehren und Danny ein Taxi holen zu lassen. Dann erinnerte ihn sein Verstand daran, dass er in den zehn Minuten, die eine Rückkehr zu McCluskey’s in Anspruch nehmen würde, bereits zu Hause sein konnte. Die zusätzliche Verzögerung durch das Pint, das ihm Danny zweifellos aufschwatzen würde, war dabei noch nicht eingerechnet. Keine Kleinigkeit, wenn man bedachte, dass er bereits eine halbe Stunde später dran war, als er Theresa versprochen hatte. Seit ihre Schwangerschaft sichtbar wurde, erinnerte sie ihn an seine Mutter, die ihn mit ihrer übertriebenen Sorge durch die Teenagerjahre verfolgt hatte. Hoffentlich verzog sie das Kleine nicht ganz und gar. Zumindest nicht, wenn es ein Junge war.
    Bevor er die Grosvenor Road überquerte, wandte er sich noch einmal dem Transit zu. In der Dunkelheit glänzte die Lackierung wie Perlmutt. Lucky schüttelte über sich selbst den Kopf. JR würde ihn für den Rest seines Lebens aufziehen, wenn er das erfuhr. Hysterisch wie ein Weib.
    Von der Grosvenor Road bog er in die Roden Street ab, eine ruhige Wohnstraße, zweigeteilt durch den „Westlink“-Autobahnzubringer auf die M1. Er hatte niemals einen Fuß auf die Roden Street jenseits des Westlink gesetzt. Dort war ihr Gebiet. Loyalisten. Diener des Status quo, Handlanger der Besatzer. Im katholischen Teil der Straße versperrte ein über und über mit Graffiti besprühter Wall aus Wellblech die Sicht. Keine kunstvollen Malereien, sondern trotzige Durchhalteparolen: Tod der loyalistischen UFF, Tod den Verrätern der IRA, Tod dem britischen Premierminister und der Königin gleich mit. Überall war vom Tod die Rede. Hässlich, doch zumindest ersparte es den Anblick, der sich von der Autobahn aus bot:
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