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Watschenbaum: Roman einer Kindheit (German Edition)

Watschenbaum: Roman einer Kindheit (German Edition)

Titel: Watschenbaum: Roman einer Kindheit (German Edition)
Autoren: Egon Günther
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I
    da war der bettstall mit den weißen stäben und das abgedunkelte zimmer und die tür ging auf weil jemand hereinkam der sich vergewissern wollte ob beide hände keusch und artig auf der zudecke lagen
    In der Richtung des Sonnenaufgangs, an der Morgenseite der mit Kopfsteinen gepflasterten Fahrstraße, an deren Abendseite eine kurze Zeile unscheinbarer vorstädtischer Mietshäuser in die Höhe ragt, und noch jenseits der Bahntrasse, die sich hinter einer hohen Ligusterhecke verbirgt, befindet sich das Lager einer Holz- und Kohlenhandlung. Vom Wohnzimmerfenster aus kann Cornelius das Geschehen vor den Bretterbuden auf dem weitläufigen Gelände gut überblicken. Zu Beginn der kalten Jahreszeit, meist früh am Morgen und abermals am frühen Nachmittag, beladen kräftige, von Kohlenstaub geschwärzte Männer einen robusten Pritschenwagen mit Säcken, stapeln etliche Lagen Briketts auf die Ladefläche und geben, bevor der Laster zu seiner Auslieferungstour startet, vielleicht noch einige mit Draht umwickelte Bündel Holz dazu. Deutlich dringen die lebhaften Zurufe der Kohlenträger und Ausfahrer, ihr Gelächter, Fluchen und Scherzen in seine behütete Abgeschiedenheit. Die restliche Zeit des Tages wirkt das Kohlenlager mit seinen zur Frontseite hin offenen Schuppen öde und verlassen. An das nüchterne Gelände fügt sich eine schmale, gleichfalls ungeteerte Straße, die einen Werkkanal flankiert. Ein solider, breiter Holzsteg führt über das flaschengrüne Gewässer, das sich gleichförmig in seinem Bett wälzt. Am anderen Ufer wartet eine naturwüchsige Auenlandschaft, die in der Phantasie des Jungen eine lockende Wildnis darstellt, in deren Buschwäldern und Lichtungen er mit Natty Bumppo und Chingachcook ausgedehnte Streifzüge unternimmt. Im März kann er das ferne Tosen des Hochwasser führenden Flusses hören.
    weiß wie schnee rot wie blut und schwarz wie ebenholz behutsam zwischen herd anrichte und spülstein hantierend trägt ihm die großmutter ruckediguck blut ist im schuck in immer gleichbleibendem singsang die schaurig schönen märchen vor vom schneewittchen vom aschenputtel vom rotkäppchen vom dornröschen von der frau holle von hänsel und gretel und vom wolf und den sieben geißlein ei großmutter was hast du für große hände dass ich dich besser packen kann
    Auf der Fahrstraße vorm Haus gibt es noch keinen nennenswerten Kraftwagenverkehr. Die Kinder glauben, getrost den Bällen nachlaufen zu können, die beim Schutzen von den Häuserwänden abgeprallt sind, und sie halten bei wilden Fangspielen wie
Räuber und Schandi
oder
Wer hat Angst vorm Schwarzen Mann?
, mit ausgelassenem Geheul von einem Hydranten zum anderen galoppierend, nicht inne, um vor dem raschen Überqueren der Fahrbahn erst einmal achtsam nach links oder rechts zu blicken. Gelegentlich vorbeifahrende Automobile kündigen sich schon von weitem mit unverwechselbarem Motorenklang an, der unschwer den gerade gängigen Fahrzeugtypen zugeordnet werden kann. Schlimme Verkehrsunfälle, an denen Autos beteiligt sind, bleiben dennoch keine Seltenheit. Wie selbstverständlich rollen aber immer noch mit hölzernen Biertragen, Banzen und Eisbalken befrachtete Fuhrwerke einher, die von starken Brauereirossen gezogen werden. Allwöchentlich erscheinen fahrende Eier- und Gemüsehändler, die unterm Ausrufen ihrer Ware laute Schellen rühren, oder der Kartoffelbauer kommt mit Zugmaschine und Gummiwagen. Schrotthändler und Lumpensammler, säumige Boten einer untergegangenen Welt, schieben ratternde, großrädrige Karren über das Pflaster. Mehr als nur einmal bestaunt Cornelius den vorüberrasselnden grün und rot gestrichenen Wohn- und Werkstattwagen eines Kesselflickers, dem ein Maultier vorgespannt ist, ein braunes Pferdchen trottet gefügig hinterdrein. Außen am Wagen hängen kupferne Kessel, Pfannen und große Schöpflöffel, die scheppernd aneinanderschlagen. Vermutlich rollt er stadteinwärts, zu der von alten Kastanien gesäumten Brache, die nur die unwirtliche Zeit des Jahres belebt ist, wenn dort fahrende Schausteller ihre bunten, von Straßenschleppern gezogenen Wägen abstellen und ihre Kinder als Winterschüler in die nächstgelegenen Konfessionsschulen schicken.
    ockerfarbene in die nacken sanfter herdentiere mit spitzen fängen sich verbeißende raubkatzen sind scharf konturiert in das verschlungene ziermuster des rotbraunen teppichs gestickt auf dem das kind cornelius anfangs bunt bedruckte bauklötze hin und her schiebt und
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