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Wie Du Mir

Wie Du Mir

Titel: Wie Du Mir
Autoren: Ellen Dunne
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unpassend laut für ihr Fliegengewicht.
    „Bleib stehen!“, schrie Will, zeitgleich mit einem der noch immer unsichtbaren Terroristen im Vorzimmer.
    „Bleib sofort stehen, du Schlampe!“
    Da fiel schon der Schuss, monströs und ohrenbetäubend in der Enge des Hauses.
    Jenny schrie noch einmal. Dann polterte und klatschte es. Keine Füße auf Mahagoni, sondern mehr. Ein ganzer Körper. In Wills Ohren sang es leise. Das hier passierte nicht wirklich.
    Szenenwechsel.
    Zwei Terroristen erschienen im Türrahmen, in dem vorhin noch Jenny gestanden hatte. Der eine groß, der andere mittel; der eine im grünen T-Shirt, der andere im dunkelblauen Hemd; der eine mit Muskelbergen, der andere mit einer auf Will gerichteten Pistole. Halbautomatisch, Neun-Millimeter-Kaliber – IRA-Standard.
    Groß-im-T-Shirt sah Will nicht an, nur seinen Begleiter, als warte er auf ein Zeichen von ihm. Mittel-im-Hemd nickte flüchtig und trat ins Wohnzimmer. Schwer zu sagen, wie alt er war, aber sicher kein Teenager mehr. Das Hemd war ihm teilweise aus dem Bund gerutscht, als hätte er nicht genug Zeit gehabt, sich fertig zu machen. Seine Hände in Einweghandschuhen umklammerten den Griff der Pistole. Ihr Lauf zielte ruhig auf Wills Brust. Mord als Routinesituation.
    Das passierte nicht wirklich. Andere Kollegen, ja. Andere Stadtteile, ja. Aber nicht William McCrea. Nicht hier, dazu verdammt, in Jogginghosen auf seinen eigenen Tod zu warten.
    Doch es fiel kein Schuss, der Pistolenlauf blieb unverändert in derselben Position. Mittel-im-Hemd funkelte Will an. Er sah aus wie die Negativ-Version eines Pandabären. Kreise aus blasser Haut, eingerahmt von seiner schwarzen Wollmaske, die Augen zornige schwarze Löcher.
    Will wusste, was er anstarrte. Alle starrten immer das Feuermal an. Es erstreckte sich an seiner rechten Halsseite bis zum Unterkiefer und bildete dort drei Ausläufer in den hinteren Bereich seiner Wange. Will, der wandelnde Rorschachtest. Lachnummer in der Grundschule. Zielscheibe launiger Bemerkungen seiner Kollegen. Grund für die Verzögerung seiner eigenen Hinrichtung. Was Mittel-im-Hemd wohl darin sah? Wahrscheinlich nur einen Blutfleck. Mörder hatten wenig Fantasie.
    „Was ist mit Jenny?“
    Mittel-im-Hemd ignorierte Wills Frage, drängte ihn weiter zurück ins Wohnzimmer, weg von Jenny, die irgendwo da draußen war. Allein mit diesem Muskelberg.
    „Was ist mit meiner Frau, warum –?“
    „Umdrehen und hinlegen, Gesicht auf den Boden.“
    Seine Stimme hatte etwas von einer brennenden Lunte.
    Scheißegal.
    „Warum hast du auf sie geschossen, du Abschaum?“
    Einen Augenblick schien Mittel-im-Hemd unsicher, wie er auf Wills Brüllen reagieren sollte.
    „War ja nur ins Bein. Sie ist weggelaufen, da hätte sie was anderes verdient.“ Dann schien ihm einzufallen, dass er sich als Terrorist für nichts zu rechtfertigen brauchte, und er sammelte sich. „Umdrehen.“
    Der Lauf der Pistole machte einen angedeuteten Kreis in der Luft.
    Jenny war okay, zumindest halbwegs. Mehr konnte Will nicht erwarten. Keine Wunder. Er drehte Mittel-im-Hemd den Rücken zu. Da war der Esstisch, mit der bestickten Tischdecke von seiner Mutter. Da war das Bücherregal, das er hatte erweitern wollen. So sah also das Ende aus.
    „Tu’s nicht, Junge.“
    „Runter und hinlegen, die Hände nach oben.“
    „Tu’s nicht. Für wen machst du dich hier schuldig? Für deinen Boss etwa?“
    „Fang lieber mit deinem Vaterunser an.“
    Will versuchte, sich an den Text zu erinnern. Es hatte etwas mit Gnade zu tun und Vergebung – doch was hatte das mit Will und seiner Situation zu tun?
    Gut, dass seine Eltern das nicht miterleben mussten. Es würde sie umbringen, wenn sie nicht schon gestorben wären. Was war mit Jenny? Sie würde darüber hinwegkommen. Sie war jung, sie war immer so sorglos – aber sie hatte ja noch ihre Eltern und eine Horde von Freunden.
    Über ihm mischte sich der Fernseher in seine Endabrechnung. „Coronation Street“ war von hektischen Werbestimmen abgelöst worden.
    Sondern erlöse uns von dem Bösen. Amen.
    Will war immer noch am Leben. Worauf wartete der Typ? Machte es ihm wirklich so viel Spaß? Das war zu viel Risiko. Zu viele Möglichkeiten erwischt zu werden.
    Sekunden vergingen, bevor Will begriff. Er hob den Kopf und reckte ihn nach hinten. Da war niemand mehr. Keine Pistolenmündung, kein mittelgroßer Terrorist im blauen Hemd, kein großer im T-Shirt.
    Was sollte das? Die Provos verteilten keine Warnungen an
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