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Wer sich nicht wehrt...

Wer sich nicht wehrt...

Titel: Wer sich nicht wehrt...
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Spuren von Autoreifen. Zwei verschiedene Autos, weil es zwei verschiedene Profile sind.«
    »Was du alles weißt, Mike!«
    »Du mußt mehr lesen, Wiga. Im Karl May steht das alles drin …« Mike hob das Fernglas wieder an die Augen. »Jetzt kommt der Bärtige zurück, lehnt die Karre an die Wand und guckt hierher …«
    »Mike! Kann er uns sehen?!« Wiga umklammerte ihn. »Geh doch vom Fenster weg, Mike!«
    »Sei still! Er kann uns nicht sehen. Außerdem kommt er nie auf den Gedanken, daß jemand im Backhaus ist. Er guckt nur so in die Gegend. Jetzt bohrt er in der Nase …«
    »Bah …«
    »Er tut's aber. Jetzt geht er zum Haus und schabt seine Stiefelsohlen an einem Eisen ab … Jetzt geht er ins Haus …«
    »Hurra! Er hat uns nicht gesehen …«
    »Du bist zu dumm, jemanden zu beobachten!« sagte Mike trocken. »Setz dich da auf die Bank und halt den Mund. Ich sage dir schon, was ich sehe. Beim Beobachten muß man ganz still sein.«
    »Sagt das auch Karl May?«
    »Psst …«
    Es dauerte etwa fünf Minuten, bis Laurenz Kabelmann wieder aus dem Haus kam. Mike hob das Fernglas an seine Augen, und plötzlich begann er zu zittern, als stehe er nackt im eiskalten Wind. Wiga starrte seinen Rücken an und verkrampfte die Finger in die alte Holzbank.
    »Ist was, Mike?« fragte sie ängstlich.
    »Da … da …« Mike begann vor Erregung zu stottern. Er bekam die Worte nicht so schnell heraus, wie sie sich in ihm bildeten. »Wiga … Wiga … komm schnell her … schnell … da sind sie … da sind sie! Sie leben … sie leben noch alle beide … er hat Pumpi an der Leine … und Micky läuft hinterher …«
    Mit zwei Sätzen war Wiga neben Mike am Fenster. Auch ohne Fernglas sah sie es ganz deutlich: Der Mann mit dem wilden Bart führte Pumpi durch den Schnee. Sein schwarz-weiß-rotes Fell leuchtete in der Morgensonne. Und Micky lief hinter ihm her, wie immer, den Schwanz hochgereckt vor Freude, Spazierengehen zu dürfen.
    »Micky!« schrie Wiga hell, bevor Mike ihr seine Hand auf den Mund drücken konnte.
    »Still!« zischte er. »Verflucht … still!«
    Aber es war schon zu spät.
    Laurenz Kabelmann war mit einem Ruck stehengeblieben und sah hinüber zu dem verfallenen Backhaus.

12
    Ein paar Angstsekunden blieben Wiga und Mike wie versteinert stehen und starrten durch das schiefe, zerbrochene Fenster hinaus zu dem bärtigen Mann. Der wüste Kerl schien zu überlegen, ob er sich getäuscht haben könnte. Er hielt Pumpi an der kurzen Leine, während Micky mit hochgestrecktem Schwanz um sie herumstrich und plötzlich sehr unruhig war. Ihr Wildinstinkt signalisierte etwas Ungewöhnliches, etwas, das nicht in den Alltagsablauf gehörte.
    »Jetzt hast du alles kaputt gemacht!« flüsterte Mike. »Wenn man schon mit Weibern loszieht …«
    »Da … da sind doch Pumpi und Micky«, flüsterte Wiga zurück. Tränen standen ihr in den Augen. »Sie leben, Mike … sie leben! Wir müssen doch hin zu ihnen!«
    »Nicht mehr nötig … die kommen zu uns!«
    Laurenz Kabelmann hatte sich nun doch entschlossen, nachzusehen, was im alten Backhaus los war. Einen Augenblick zögerte Mike, dann trat er vom Fenster zurück. »Noch können wir weglaufen …«, sagte er leise.
    »Nein!« Wiga stellte sich breitbeinig vor den zusammengefallenen Backofen. »Ich bleibe bei Micky! Mir ist egal, was dann kommt. Hauptsache, ich habe Micky wieder!«
    »Wie du willst.« Mike sah aus der Mitte des Raumes, wie Kabelmann langsam näher kam. Plötzlich hob Pumpi die Nase, wurde, wie vorher Micky, unruhig und zerrte an der Leine. Dabei stieß er helle, winselnde Laute aus und streckte den Kopf weit vor.
    »Da ist doch etwas«, sagte Kabelmann verwundert. »Fähnchen, du hast was entdeckt. Mausi, bleib hier! Mausi, benimm dich doch nicht wie verrückt.«
    Er zog aus seinem Parka eine Art Totschläger, einen Lederknüppel mit Stahleinlage, und ließ ihn in der linken Hand wippen. Wenn jemand in dem alten Backhaus war, der sah jetzt, daß in wenigen Minuten eine böse Auseinandersetzung beginnen würde. Eine Lederrute mit Stahleinlage ist eine nicht zu verachtende Waffe.
    »Er wird uns umbringen …«, flüsterte Wiga, kaum hörbar vor Angst. »Er sieht ganz so aus, wie ein Mörder aussieht.«
    »Vielleicht tut er uns nichts, weil wir noch Kinder sind …« Mikes Augen waren kugelrund. Er starrte auf Pumpi, der jetzt wolfsähnlich heulte und wie verrückt an der Leine zerrte. Ein mutiger Gedanke durchzuckte ihn plötzlich. Er legte den Arm um Wiga und zog sie
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