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Wer sich nicht wehrt...

Wer sich nicht wehrt...

Titel: Wer sich nicht wehrt...
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Labors. In Deutschland werden alljährlich Millionen Tiere an diese Versuchsstätten verkauft. Das ist nicht verboten, dafür kassiert der Staat auch Steuern … bei mir fünfundfünfzig Prozent! An jedem Tier, das irgendwo in einem Labor verarbeitet wird, ist der Staat mit über der Hälfte beteiligt! Von diesen Steuern werden auch Sie bezahlt, meine Herren Staatsanwälte, und auch Sie, Herr Kommissar! Der Staat verdient an den Versuchstieren mehr als ich. Und die Pharmalobby verdient daran, die Chemielobby, die Medizinerlobby … Warum erläßt der Staat kein gesetzliches Verbot der Tierversuche? Weil dann alle Lobbys losheulen, weil man mit neuen Arbeitslosen droht, weil man vom Untergang der Forschung schreit.« Wulpert richtete sich hoch auf. »Was wollen Sie eigentlich von mir?! Gehen Sie nach Bonn zu den Feiglingen, die sich um klare Gesetze drücken!«
    »Da hat er leider recht«, sagte Steffen Holle ruhig.
    Oberstaatsanwalt Dallmanns fuhr herum. »Ich bitte Sie, Herr Staatsanwalt …«
    »In Bonn wird ein neues Tierschutzgesetz erlassen, und in dieses Gesetz hat der zuständige Minister – sicherlich von vielen ›wissenschaftlichen Seiten‹ beraten – eine ›Positivliste‹ von Tierversuchen aufgenommen. Das heißt, Versuche, die ausdrücklich als erlaubt zu betrachten sind. Mit anderen Worten: Aus einem Tierschutzgesetz wird ein Tiernutzungsgesetz …«
    »Ich muß mich doch sehr über Sie wundern, Herr Holle!« sagte Dallmanns steif.
    »Da haben wir's ja!« rief Wulpert und kostete den kleinen Triumph aus. »Und mir kleinem Schwein will man an den Kragen!«
    »Mir liegt ein Thesen-Papier der deutschen Max-Planck-Gesellschaft vor«, fuhr Holle unbeirrt fort, »das in dem Satz gipfelt: ›Wir warnen den Gesetzgeber, aus opportunistischen Gründen bürokratische Schranken mit großen Folgekosten zur Erschwerung der wissenschaftlichen Forschung zu errichten. Tierversuche sind moralisch in gleichem Maße begründet wie das Töten von Tieren zu Zwecken der menschlichen Ernährung und Kleidung …‹ In Bonn hat man diese Warnung verstanden.«
    »Bravo, Herr Staatsanwalt!« rief Willi Wulpert begeistert.
    »Ihr Enthusiasmus wird gleich vorbei sein, Wulpert.«
    Steffen Holle blickte wieder aus dem Fenster. In den Innenhof fuhr jetzt der schwere Wagen von Prof. Sänfter ein. Er hatte unterwegs mit Glatteis einige Probleme gehabt und kam deshalb etwas zu spät. »Professor Sänfter trifft gerade ein, mit dem Laborleiter, der die gestohlenen Hunde, darunter Sänfters Arras, bei Ihrem Sohn gekauft hat. Mit gefälschten Besitzerpapieren! Da haben wir ganz einwandfrei Diebstahl und Urkundenfälschung. Und um es klar zu sagen: Dieser Delikte wegen klagen wir Sie an unter Hinzunahme von Tierquälerei, Steuerhinterziehung und Betrug. Reicht das, Herr Wulpert?«
    »Ich möchte meinen Anwalt sprechen«, sagte Wulpert dumpf. »Ich sage keinen Ton mehr.« Er zeigte noch einmal Regung, als Tenndorf und seine Familie mit Pumpi und Micky ins Zimmer kamen und dann Prof. Sänfter mit seinem Laborleiter, der beim Anblick von Josef Wulpert sofort rief: »Das ist er … der Herr Schneider! Ich kann das beschwören!«
    »Daß ich so etwas Dämliches als Sohn haben muß«, sagte Wulpert fast mitleiderregend. »Seit Jahrhunderten leben die Wulperts hier, und jetzt ist alles im Arsch. Ich hab' es ja immer gesagt: In der jetzigen Generation ist der Wurm drin.«
    Es waren seine letzten Worte in dieser Sache. Von da an schwieg er, auch als man ihn verhaftete, zum Polizeiwagen brachte und Dallmanns nach Besichtigung der Hallen und Ställe zu ihm trat und mit stockender Stimme sagte: »Diese Anklage vertrete ich selbst! Was ich heute gesehen habe, übersteigt meinen Begriff von Unmenschlichkeit. Für so etwas wie Sie sind unsere Gesetze geradezu lächerlich.«
    Wenn ein Oberstaatsanwalt so etwas sagt, muß es stimmen.
    Denn was soll man davon halten: Nach einem kurzen Prozeß erhielt Willi Wulpert zwei Jahre Haft mit Bewährung, weil er bisher noch nicht straffällig geworden war. Josef Wulpert kam mit einem Jahr davon. Das war die Strafe für Tiermißhandlung, Diebstahl, Betrug und Urkundenfälschung.
    Der Prozeß wegen Steuerhinterziehung stand noch aus. Hier erwartete man eine weit höhere Strafe ohne Bewährung, denn dem Staat Geld vorzuenthalten ist weit verwerflicher als Tiermord. Auch Terroristen kommen manchmal glimpflicher davon als ein Steuersünder. Die Moral des Staates ist ein merkwürdig Ding …
    Wulperts Tierhandlung wurde
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