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Wer sich nicht wehrt...

Wer sich nicht wehrt...

Titel: Wer sich nicht wehrt...
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Ihrem Forschungstrakt bitten würde … für zwei Stunden nur …«
    »Wozu?«
    »Ich möchte Nachschlüssel machen lassen.«
    »Das … ist Diebstahl, Herr Tenndorf.«
    »Sie haben damit nichts zu tun, Herr Professor. Sie haben die Schlüssel verloren und dann wiedergefunden.«
    »Aber im stillen bin ich Ihr Komplize geworden!«
    »Verdrängen Sie das. Denken Sie nur daran, daß Sie Ihr Gesicht gewahrt haben.« Tenndorf streckte die rechte Hand aus. »Jeder kann doch mal Schlüssel verlieren, Herr Professor.«
    »Geben Sie mir bitte Zeit bis morgen, das zu überlegen.« Prof. Sänfter erhob sich. »Ich bin zu Ihnen gekommen, weil Sie der Erste sein sollten, der meinen Rückzug vom Tierexperiment erfährt. Als ich Arras da liegen sah, narkotisiert dafür, vorbereitet, geopfert zu werden … da war es mir, als läge ein Teil von mir selbst zur Opferung auf dem OP-Tisch. Man muß erst selbst das Leid ertragen haben, um das Leid der anderen zu verstehen. Auch das ist eine Art menschlicher Unzulänglichkeit.« Er knöpfte seinen Mantel zu und legte die halbgerauchte Zigarre in den Aschenbecher. »Bis morgen, ja, Herr Tenndorf? Ich glaube, ich kann dann meine Schlüssel für zwei Stunden verlieren …«
    »Danke, Herr Professor.« Sie gaben einander die Hand. »Erwarten Sie kein Kollegenlob. Im Gegenteil. Die Pharma- und Chemie-Industrie wird Sie – wenn die Wahrheit bekannt werden sollte – in die Reihe der Spinner eingliedern, die den Fortschritt für den Menschen verhindern. Und das bei einer Medikamentenflut, von der gut 75 Prozent überflüssig sind. Die Pharmalobby wird Sie zur Hölle wünschen!« Sie schüttelten sich noch einmal die Hände. »Ich wünsche Ihnen viel Stärke, Herr Professor.«
    »Keine Angst, Herr Tenndorf. Ich bin ein geborener pommerscher Dickschädel …«
    Sie waren schon um zehn Uhr morgens in Otternbruch und bezogen ihr Versteck in dem verfallenen Backhaus nahe am Eingang zum Wulpert-Hof.
    Die Fahrt war schneller gegangen, als sie vermutet hatten. Die Landstraßen waren am frühen Morgen durch Schneepflüge geräumt worden. Es war zwar glatt, aber mit den Fahrrädern kam man auf der festen Eisschneedecke gut voran; nur scharf bremsen durfte man nicht und nicht so keck in die Kurven gehen.
    Um ganz sicher zu sein, daß man sie nicht schon von weitem sah, hatten Mike und Wiga ihre Räder oben an der Chaussee an einen Baum gekettet, obgleich nicht anzunehmen war, daß in dieser einsamen Gegend jemand zwei Fahrräder stehlen würde. Aber eine verschlossene Kette beruhigt.
    Dann waren sie den Weg zum Wulpert-Hof hinuntergeschlichen, von Busch zu Busch springend und das letzte Stück bis zum Backhaus auf dem Bauch kriechend. Nun standen sie in dem verfallenen Gemäuer, klopften sich gegenseitig den Schnee von den Kleidern und hüpften auf der Stelle, weil ihre Füße kalt geworden waren. Mike hatte eine Thermosflasche voll Tee mitgenommen, den er heimlich zu Hause aufgebrüht hatte, als er nach der ›Familiennacht‹ schnell in Carolas Wohnung hinübergelaufen war, um angeblich noch einige Schulbücher zu holen.
    Dieser heiße Tee war etwas Herrliches. Sie tranken jeder einen Becher davon und fühlten, wie die Wärme ihre Körper durchrann.
    »Du denkst aber auch an alles, Mike«, sagte Wiga und gab ihren Becher zurück. »Toll …«
    »Ich bin ja auch ein Mann.« Mike schraubte die Thermosflasche wieder zu. Er kam sich sehr stark vor. Nun, da er eine Schwester hatte, mußte er zeigen, was ein Beschützer ist. Er stellte die Flasche auf den Sims über dem halb eingestürzten Backofen, holte aus der Segeltuchtasche Tenndorfs Fernglas und trat an das glaslose, schiefe Fenster. Der Innenhof des Wulpert-Hofes mit dem Eingang zu Halle II, der Futterküche und der Laderampe lag vor ihm.
    »Du, da ist er wieder!« sagte er leise und drehte an den Okularen, um ein schärferes Bild zu bekommen.
    »Wer?« flüsterte Wiga in seinem Nacken. Sie stand ganz dicht hinter ihm.
    »Der Kerl mit dem Bart. Fährt eine Karre Mist aus der Halle … Mensch, sieht der aus! Vor dem läuft jeder weg … aber wir nicht, Wiga!«
    »Nein, wir nicht, Mike.« Es klang sehr kleinlaut, aber es stärkte das Selbstbewußtsein, sich selbst etwas zu belügen. »Was siehst du sonst noch?«
    »Nichts. Die Wagen sind schon weg.«
    »Wie willst du das wissen?«
    »Die Spuren …« Mike sah Wiga kurz an und schüttelte den Kopf. »Du hast aber auch gar keine Ahnung. Zuerst fängt man mit den Spuren an. Und da im Schnee sind frische
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