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Wer schlafende Hunde weckt

Wer schlafende Hunde weckt

Titel: Wer schlafende Hunde weckt
Autoren: Christopher Brookmyre
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viel näher als gewollt hinter dem blauen Citroën Minivan. Sie musste forsch auf die Bremse treten, denn nach dem Kommando zum Aufschließen hatte sie in ihrer Aufregung nicht damit gerechnet, dass das Zielfahrzeug womöglich warten musste, bevor es abbiegen konnte. Sie hoffte, dass der Fahrer nicht in den Rückspiegel gesehen hatte, denn nichts fällt einem mehr auf als ein Beinahe-Auffahrunfall, besonders diesem Kerl.
    Jasmine starrte wie hypnotisiert auf seinen Blinker und widerstand der Versuchung, in seinen Rückspiegel zu schauen.
    Als das Licht sieben- oder achtmal aufgeleuchtet hatte, merkte sie, dass ihr eigener Blinker aus war. Als sie ihn anschaltete, hatte sie, wie immer bei diesem Job, das Gefühl,dass sie auf viel zu viel gleichzeitig achten musste und dabei allzu leicht das Grundsätzliche vergaß. Wenn sie Jim bei einer Zwei-Wagen-Observation aus der Entfernung unterstützte, war es schon schlimm genug, aber wenn sie selbst den Sichtkontakt halten musste, rechnete sie förmlich damit, jeden Moment den Motor abzuwürgen oder sogar gegen eine Laterne, einen Fußgänger oder einen Doppeldeckerbus zu krachen, den sie wegen ihres Tunnelblicks auf das Zielfahrzeug übersehen hatte.
    Ich verbock’s nicht, schwor sie sich. Ich verbock’s nicht. Heute nicht. Nicht wie bei der Fahrzeugobservation in Paisley letzte Woche, als sie das Zielfahrzeug auf dem Kinoparkplatz verloren hatte. Nicht wie in der Woche davor in Duntocher, als sie verbrannt worden war, als sie dem Zielobjekt zweimal um einen Kreisverkehr gefolgt war. Und nicht wie Montag. Bitte, bitte, um Gottes willen nicht wie Montag. Das würde ihr noch peinlich sein, wenn sie irgendwann in einem Altersheim vor sich hindämmerte. Zum einen, weil sie sich selbst enttäuscht hatte, aber tausendmal mehr, weil sie Jim hatte hängen lassen. Wenn sie nur daran dachte, wurde sie schon ganz rot.
    Der Minivan wurde langsamer und suchte wohl einen Parkplatz. Er hatte das Riesenglück, zu dieser Tageszeit auf diesem Abschnitt der Byres Road einen zu finden. Ihre Chancen standen schlecht, in akzeptabler Nähe einen eigenen zu bekommen. Das könnte ihr neuer Rekord werden: Zielobjekt verloren, in weniger als einer Minute. Nicht unbedingt ihre Schuld, äußere Umstände usw., aber so oft, wie sie schon eine Observation verbockt hatte, zogen selbst gute Gründe nicht mehr.
    Oh, danke. Puh. Er parkte gar nicht ein: Das Auto vor ihm hatte einen Platz gefunden, und er hatte warten müssen, während es sich in die Lücke hineinmanövrierte.
    Sie seufzte und wollte nicht lange darüber nachdenken, wieungeeignet sie für den Job sein musste, wenn sie schon bei jedem winzigen oder nur potenziellen Problemchen in Panik geriet.
    Sie drückte die Sprechtaste auf dem Schalthebel, die ein Mikrofon in der Sonnenblende steuerte.
    »Onkel Jim … äh, Delta Seven, darf ich?«
    »Delta Seven, na los. Du brauchst nicht zu fragen, wenn du Sichtkontakt hast. Und zum dreitausendsten Mal: Du sagst dein eigenes Rufzeichen, nicht meins.«
    »Tut mir … äh, Foxtrot Five, tut mir leid. Wollt nur fragen, wo du bist.«
    »Meine Position ist Hyndland Street nördlich Richtung Highburgh Road, wo ich hoffentlich aufhole und das Zielfahrzeug an der Ampel wieder übernehme.«
    »Okay, okay«, erwiderte sie, obwohl sie fast nur seine Rüge gehört hatte, dass sie schon wieder nicht die korrekte Terminologie verwendet hatte. Wie viel Geduld konnte er haben? Er verdiente jemand Besseres. Jemand viel Besseres.
    »Zielobjekt nähert sich der Kreuzung University Avenue«, gab sie weiter. »Rote Ampel, kein Blinker gesetzt. Wird wohl geradeaus, geradeaus, geradeaus in Richtung Great Western Road fahren.«
    Geradeaus, geradeaus, geradeaus. Das hörte sich nicht richtig an.
    Ihr Zweifel löste eine so lebhafte Erinnerung an Montag aus, dass sich ihr der Magen umdrehte. Katastrophen solchen Ausmaßes zogen normalerweise einen Spendenmarathon im Fernsehen nach sich.
    Es war kein schwieriger Auftrag gewesen. Eine einfache Adressermittlung, sonst nichts, das sprichwörtliche Kinderspiel. Das Zielobjekt von Montag war ein Kleinunternehmer gewesen, der bei einem seiner Zulieferer tief verschuldet abgehauen war. Statt sich bankrott zu erklären und das Insolvenzverfahren zu durchlaufen, war er in dem Wissen ausgeflogen, dass der Zulieferer selbst in schweren Finanznöten steckte, die zu großen Teilen auf seinen unbezahlten Schulden beruhten. Einfach gesagt, musste der Kleinunternehmer nur so lange
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