Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer schlafende Hunde weckt

Wer schlafende Hunde weckt

Titel: Wer schlafende Hunde weckt
Autoren: Christopher Brookmyre
Vom Netzwerk:
die nicht gefunden werden wollen. Die meisten Leute erklären einem wahrheitsgemäß, dass sie den Namen noch nie gehört haben, aber ab und zu hakt jemand nach und will wissen, warum man fragt, weil er selbst die Zielperson ist oder sie persönlich kennt. Dann muss man sich kurzfassen und darf nicht abschweifen oder sich in Details verrennen. Das gleiche Prinzip hatte sie schon auf der Schauspielschule gelernt, als es um Film- und Fernsehaufnahmen ging: Tu nie etwas, was du nicht genauso noch zehnmal wiederholen kannst.
    Jim hatte ihr ein solides, erprobtes Skript gegeben, das für die meisten Gelegenheiten reichen sollte. Sie suchte jemanden, der mit ihrem Vater in der Navy gewesen war. Der war nämlich vor ein paar Monaten in den Ruhestand gegangenund versuchte, ein Treffen mit seinen alten Schiffskameraden auf die Beine zu stellen, die er aus den Augen verloren hatte. Wenn sie die Zielperson gesehen, und die ihren Namen bestätigt hatte, sollte Jasmine sagen, dass er leider viel zu jung für den Peter Harper war, den sie suchte. Bitte entschuldigen Sie die Störung und ab nach draußen, die Adressbestätigung im Speicher der versteckten Videokamera.
    Nach einer ganzen Reihe von Pannen wollte Jasmine diesmal unbedingt alles richtig machen, vor allem auch, weil der Auftrag von der Firma kam, die Jim mit so viel Arbeit versorgte. Sie wollte auf alles vorbereitet sein und dachte sich eine zweite Notfallgeschichte aus.
    »Delta Seven. Zielwagen biegt links, links, links in den Parkplatz an der Ashton Lane ein. Wagen hält, hält, hält. Bin geschützt hinter einem anderen Wagen. Foxtrot Five, parken und folgen!«
    »Foxtrot Five. Okay, okay.«
    Der Zulieferer hatte als Adresse Nummer 315 angegeben. Die Haupteingangstür führte zur 313, die das gesamte Erdgeschoss einnahm, also waren die nächsten drei Möglichkeiten im ersten Stock, den man über die Gasse nebenan erreichte. Bei der linken Wohnung öffnete eine bucklige alte Frau, die Jasmine misstrauisch durch den Türspalt über die Kette hinweg beäugte, während neben ihren Füßen aufgeregt ein Westie kläffte und schnaufte.
    »Nein, nie gehört«, erwiderte die Frau.
    Die gleiche Antwort bekam sie bei der mittleren Wohnung von einer gehetzten Mutter mit einem Baby über der einen Schulter und einem Streifen frischer, cremiger Kotze auf der anderen. Bei der rechten Wohnung machte niemand auf, also versuchte sie es ein Stockwerk höher, wo sich bei den ersten beiden Wohnungen auch niemand regte. Wenn sie wieder herunterkam, würde sie es hier noch mal versuchen.
    Wie war sie dazu gekommen?, fragte sie sich, als sie dienächste Klingel drückte und wartete: Sie klapperte leere Wohnungen ab, um einen Mann zu suchen, den sie nicht kannte, und der nicht gefunden werden wollte. Fast schon wie bei Beckett. Wie war sie bloß auf diese Spur geraten, wo hatte sie die Abfahrt zu einem Job in irgendeiner Regionalvertretung oder bei einem einigermaßen anständigen Reiseveranstalter verpasst? Na, die Antwort wusste sie ja wohl. Das war wirklich kein Geheimnis.
    Als sie gerade ins nächste Stockwerk gehen wollte, wurde sie aus ihren Gedanken gerissen, als sich die Tür öffnete. Die späte Reaktion erschreckte sie ein bisschen, aber lange nicht so sehr wie die Tatsache, dass ihr plötzlich die Zielperson gegenüberstand. Peter Harper mochte zwar ganz gut im Verschwinden sein, an seiner Verkleidung lag das aber nicht. In den zwei Jahren, seit das Foto von Galt Linklater aufgenommen worden war, hatte er sein Äußeres nämlich nicht im Geringsten verändert.
    »Delta Seven. Zielperson hat den Wagen verlassen und geht weiter Richtung Ashton Lane. Foxtrot Five, Verfolgungsbereitschaft zu Fuß bestätigen.«
    »Nein. Äh, Foxtrot Five nein, nein. Suche noch einen Parkplatz ohne Ausweispflicht.«
    »Verdammt noch mal, park einfach irgendwo … Funkstille.«
    Jasmine riss die Hand vom Sendeknopf, als hätte er sie gebissen. Funkstille. Das hieß, die Zielperson war nah bei Jim. Sie würde nicht auf den Knopf drücken, den korrekten Ablauf nicht vergessen und die Sache nicht verbocken.
    Harpers aggressive Ausstrahlung hatte sie sofort eingeschüchtert: Er benahm sich wie einer, der ihr schon zweimal die letzte Verwarnung gegeben hatte, ihn endlich in Ruhe zu lassen. Er glühte förmlich vor unterschwelliger Aggression, und es kam ihr vor, als hätte er sie schon durchschaut, als könnte er ihren Auftrag und Plan von großen Stichwortkarten ablesen. Plötzlich wurde ihr klar, dass
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher