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Wer schlafende Hunde weckt

Wer schlafende Hunde weckt

Titel: Wer schlafende Hunde weckt
Autoren: Christopher Brookmyre
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sie nicht einfach nur unter einem Vorwand irgendeinen Fremden belästigte, sondern womöglich einen Verbrecher, wie sie aus dem Grund ihres Besuchs ableiten konnte. Es bestand die konkrete Möglichkeit, dass dieser grimmige Geselle ihr etwas antun könnte; alles sprach dagegen, ihn weiter zu reizen.
    »Kann ich Ihnen helfen?«, grunzte er monoton, was für Jasmine wie die Frage klang, ob sie jemanden brauchte, der sie mal eben erwürgen und verscharren könnte.
    »Ähm, ich, tut mir leid, Sie zu stören, ich, äh, suche jemanden …«
    Harpers Augen wurden schmaler, als er sie noch durchdringender anstarrte und schnaubte. Jasmine bekam weiche Knie.
    »Er war, äh, also, mein Vater ist gerade in den Ruhestand gegangen, und, äh, er war in der Navy, und er wollte sich mit ein paar von seinen alten Kameraden treffen, aber nein, Sie sind ja zu jung, dann heißen Sie wohl nur genauso wie …«
    »Ich hab Ihnen noch gar nicht gesagt, wie ich heiße. Wer soll ich denn sein? Woher haben Sie die Adresse?«
    Oh nein, oh nein, oh nein, oh nein.
    Jasmine fiel wieder ein, dass der Kerl hier untergetaucht war, und niemand wissen sollte, dass er hier war. Auf einmal glaubte sie, ihm unbedingt einen anderen Namen sagen zu müssen, um sich so schnell wie möglich aus der Situation zurückzuziehen.
    »Ich, äh, der Name war, ähm … Hayley«, sagte sie, den ersten Namen, der ihr einfiel. Dann erst merkte sie, dass es ein Mädchenname war.
    »William. William Hayley.«
    »Bin ich nicht«, erwiderte Harper.
    Er wollte die Tür gerade zumachen, als es sie voll erwischte: Sie hatte die Adressfeststellung komplett verbockt.
    »Ach nein, halt, Peter Harper.«

    »Was?«, zischte er, jetzt ebenso misstrauisch wie genervt.
    »Ich suche auch einen Peter Harper.«
    »Auch? Gerade war’s doch noch William Hayley.«
    »Das war der Name … Äh, ich suche eigentlich mehrere Leute …«
    »Ja, und gerade haben Sie gesagt, ich bin zu jung, was wollen Sie denn jetzt noch von mir? Wer hat Ihnen die Adresse gegeben?«
    Jasmine brach innerlich vollends zusammen und fürchtete schon, ihr würden jeden Moment die Tränen kommen. Sie musste sich zusammenreißen. Ihre Notfallgeschichte fiel ihr ein, und sie klammerte sich daran fest, wie an einen Ast in reißenden Stromschnellen.
    »Also, ich bin gerade in eine WG eingezogen, und meine Mitbewohnerin hat sich gerade von ihrem Freund getrennt, aber er bekommt immer noch Post, und sie redet nicht mehr mit ihm, also soll ich ihn jetzt ausfindig machen, wissen Sie, er heißt nämlich Peter Harper, also …«
    »Sie suchen den Exfreund Ihrer Mitbewohnerin und einen alten Schiffskameraden Ihres Vaters?«
    Jasmine merkte, wie sie unwillkürlich die Augen aufriss, wohl um die Ausmaße der Katastrophe zu überblicken, die sich vor ihr abspielte.
    »Ja, aber ich hab die beiden verwechselt, und der Erste, Hayley Williams …«
    »William Hayley, meinen Sie«, korrigierte er geradezu hilfreich.
    »William Hayley, genau, nach dem hätte ich hier gar nicht fragen sollen, der wohnt nämlich in Hyndland, da muss ich als Nächstes hin.«
    »Wenn Sie den Freund Ihrer Mitbewohnerin gefunden haben.«
    Jasmines Mund war so ausgetrocknet, dass sie nicht mal mehr ein beschämtes »Ja« krächzen konnte. Die glühendeHitze, die ihr ins Gesicht gestiegen war, hatte sie wohl ausgedörrt.
    »Der hieß Peter Harper, richtig?«
    Sie nickte vorsichtig.
    »Nie gehört«, sagte Harper und schlug die Tür zu.
    Jasmine hielt in einer Anwohner-Parkbucht und beschloss, dass ein Strafzettel für ihre Verhältnisse ein relativ kleines Problem darstellte.
    »Delta Seven. Beim Aussteigen ist die Zielperson direkt an mir vorbeigegangen und hat mich angeschaut.«
    »Bist du verbrannt?«
    »Nein, ich hab ihm nicht in die Augen gesehen, aber ich muss mich jetzt zurückhalten. Du musst ASAP Sichtkontakt herstellen. Zielperson geht die Ruthven Lane entlang in Richtung Great George Street.«
    »Roger.«
    »Okay, okay, heißt das.«
    »Sorry, sorry«, erwiderte Jasmine.
    Jasmine wurden die Beine schwer, als sie die Verantwortung auf ihren Schultern spürte. Die Zielperson hatte Jim angesehen, und sie durfte auf gar keinen Fall mitbekommen, dass sie beschattet wurde. Jetzt war Jasmine auf sich allein gestellt. Jim war nicht verbrannt worden – die Zielperson hatte nicht gemerkt, dass sie verfolgt wurde – aber er musste jetzt so großen Abstand halten, dass Jasmine ab sofort fast alleine arbeitete.
    »Es war eine teilweise
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