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Wer schlafende Hunde weckt

Wer schlafende Hunde weckt

Titel: Wer schlafende Hunde weckt
Autoren: Christopher Brookmyre
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wütend auf dem Weg dorthin, abwesend, wenn sie dort war.
    Sie hatten heute viel geredet, auf den langen Wegen zwischen den verschiedenen Parkabschnitten, während die Jungs vorrannten und kreuz und quer über den Pfad rasten. Sie hatte sich dafür entschuldigt, dass sie sich zu sehr in ihre Arbeit hineinsteigerte, und Drew hatte zugegeben, dass es nicht allzu oft passierte, dass es diesmal bloß am Ende einer sowieso schon schwierigen Zeit passiert war.
    Er hatte gesagt, er verstehe, dass es dazugehörte, wenn sie manchmal etwas distanziert wirkte, er sei schließlich dankbar, dass sie gewisse Dinge nicht von der Arbeit mit nach Hause brachte. Doch manchmal, argumentierte er, trug sie eine Last, die nicht allein auf ihren Schultern ruhen sollte.
    Sie hatte ein bisschen von Fallan erzählt, genug, damit er sie einigermaßen verstand, aber wie bei Laura hatte sie den wahren Grund verschwiegen, warum Fallan sie so verstörte, und wo die sprudelnde Quelle ihres Hasses lag.
    Sie dachte über das nach, was Laura gesagt hatte. Dass man sich nicht von der schlimmsten Sache definieren lassen musste, die einem jemals zugestoßen war, und dass man sich ändern konnte.
    Sie ging die Gespräche des Tages im Kopf durch und suchte nach der Angelegenheit, die ihr keine Ruhe ließ, nach dem Vogel, der über ihren Dachboden flatterte.
    »Dieser Fallan hat dir also geholfen?«, hatte Drew gefragt.
    »Der hat mir nicht geholfen. Der hat sich selbst geholfen und aus irgendeinem Grund auch Jasmine Sharp. Ich war da nur Nebensache.«
    »Auf jeden Fall war er auf deiner Seite. Gibt ihm das nicht eine kleine Chance auf Vergebung?«
    Das hatte Drew ganz vorsichtig gefragt, weil er auch in der Menschenmenge vor dem Kinderkarussell Angst gehabt hatte, sie könnte ihm den Kopf abreißen.
    »Ist nur ’ne Idee«, hatte er gesagt. »Du hast mir nie erzählt, was damals mit deiner Familie war, und es ist in Ordnung, dass du das nicht willst, aber die Sache nagt immer noch an dir. Ich sag das so daher, aber viele Leute vertreten den Standpunkt, dass Vergebung sehr befreiend sein kann.«
    »Der sucht keine Vergebung. Er erinnert sich nicht mal dran.«

    »Und wonach suchst du ? Er braucht keine Vergebung. Vielleicht ist es für dich wichtig, dass du vergibst.«
    Und da war der Vogel, er hatte sich kurz niedergelassen und flatterte nicht mehr umher. Zwar bewegte er sich nicht, aber das hieß nicht, dass er sich einfach so fangen ließ, und auch nicht, dass er nicht jeden Moment wieder abheben und den Dachboden verwüsten konnte.
    Vielleicht musste sie einfach nur ein Fenster öffnen. Doch auch das würde nicht einfach werden.
    Drew hatte mit einem recht, mit dem anderen nicht.
    Sie musste nicht Glen Fallan vergeben.

Vier Worte
    Der Wind hatte in den letzten Tagen aufgefrischt und blies auf den Höhen von Northumberland umso stärker, wo er die ersten vertrockneten Blätter mitnahm. Noch gab es aber viel Grün; am Straßenrand wuchs das Gras immer noch stark genug, dass Mäharbeiten den Verkehr abbremsten. Es war ein Zustand zwischen den Jahreszeiten – die eine war noch nicht vorbei, die andere hatte noch nicht angefangen.
    Als sie auf den Zufluchtsort zufuhr, sah sie Fallan neben dem Haus, der ein Laubgebläse in einer Hand hielt wie einen Akkustaubsauger. Er trug eine dunkelgrüne Tarnhose und ein ärmelloses T-Shirt, wie bei ihrer ersten Begegnung. Sie glaubte nicht, dass das Wetter seine Arbeitskleidung beeinflussen konnte, weil er wie jemand wirkte, den harte Arbeit allein warmhielt.
    Bei dem Anblick wurde sie nervös und sie bekam ein flaues Gefühl im Magen, als seine Vertrautheit und die instinktive Wärme des Wiedersehens sich in den turbulenten Strudel in ihrem Inneren mischten. Bei ihrem ersten Besuch hatte sie sich nicht ganz so unsicher gefühlt und optimistischer, dass sie die Wahrheit hören würde.
    Er lächelte nicht, als er sie sah, aber er legte eine Pause ein und kam auf sie zu. Sein Gesichtsausdruck war gleichzeitig warm und besorgt, als würde er sich freuen, sie zu sehen, hätte es aber vorgezogen, wenn sie nicht gekommen wäre.

    Kein langes Drumherum, dachte sie. Das würde sie nicht überstehen, und das Wichtigste würde umso schwerer werden.
    »Ich hab Kontoauszüge gefunden«, fing sie an, und in seinem Gesicht las sie, dass er keine Anstalten machte, irgendetwas zu leugnen. »Von meiner Mum, ab 2007. Sie hat alle drei, vier Monate Geld von einer Firma namens Morningstar bekommen. Ich hab die Bank angerufen, und die
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