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Wer schlafende Hunde weckt

Wer schlafende Hunde weckt

Titel: Wer schlafende Hunde weckt
Autoren: Christopher Brookmyre
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Blick nach vorn auf die Fahrbahnmarkierungen in der Dunkelheit gerichtet.
    »Hat wohl genau im richtigen – oder falschen – Moment ’nen Reifen getroffen. Das Auto schlingert zur Seite, als würd’s einer am Band ziehen, und fliegt über die Kante. Schlägt senkrecht mit der Motorhaube zuerst auf. Die hatten beide keinen Gurt an, wohl keine Zeit gehabt. Als wir am Auto waren, waren sie tot. Beide durch die Windschutzscheibe auf massiven Fels geklatscht. Die hatten keine Chance. Wir stehen völlig benommen da und wissen nicht, ob wir geschockt oder erleichtert sein sollen, als wir plötzlich den Kleinen heulen hören.«
    »Wie hat er überlebt?«
    »Das Tragebett war so fest eingeklemmt, und er selber ganz dick in Decken eingewickelt. Dem war nichts passiert.«
    »Außer, dass er jetzt Waise war.«
    »Tja«, erwiderte McDade düster. »Da konnten wir nichts machen. Oder doch. Wir konnten ihm ein gutes Zuhause geben.«
    »Und seitdem habt ihr euch immer um ihn gekümmert.«
    »Immer. Immer. In der Nacht hat sich ’ne Menge geändert. So was steckt man nicht einfach so weg. Na ja, manche Leute vielleicht schon«, fügte er hinzu und warf Fallan einen bösen Blick zu. Jasmine brauchte einen Augenblick, um zu verstehen, dass McDade nicht Glen selbst meinte, sondern dessen Vater.
    »Was ist mit dem Wagen passiert?«, fragte Fallan mit professionellem Gespür fürs Detail.
    »McGill hat ihn abschleppen und verschrotten lassen. Oder wahrscheinlich ausgeschlachtet und ’nem geklauten die Fahrgestellnummer verpasst. Den hat die Sache auch nicht allzu sehr mitgenommen.«
    »Aber Euch ?«, fragte Fallan ungläubig. »Deshalb erschießt ihr dreißig Jahre später immer noch fleißig Gangster und Exbullen?«
    »Es hat uns sehr mitgenommen. Wir haben es nicht einfach so überwunden – aber Tony McGill und dein Vater haben immer noch Geschäfte gemacht, und dem konnten wir nicht einfach so einen Wunsch abschlagen.«
    »Und ihr wolltet sicher nicht, dass er das Gefühl bekommt, ihr könntet ihn verpfeifen.«
    »Nein, er wusste, dass wir alle viel zu viel Angst vor ihm hatten.«
    »Da hattet ihr ja großes Glück, dass ihn jemand ermordet hat.«
    »Davon weiß ich nichts«, versicherte McDade im Brustton der Überzeugung, dass Jasmine es ihm sofort glaubte. »Nichts. Aber als er tot war, wurde alles anders. Es war ein Neuanfang. Ich hab einfach meine Arbeit getan, keine krummen Dinger mehr. Das war bei uns allen so. Keinen Wildwestkram mehr, kein Schmiergeld.«
    Jetzt waren sie mitten auf dem Land, über einen Kilometer von den Lichtern der Stadt entfernt. Jasmine konnte Insekten vor den Scheinwerfern sehen, sie hatten Fernlicht an, weil ihnen niemand entgegenkam. McDade bog auf eine einspurige Straße ab, deren Einfahrt zwischen Bäumen versteckt lag. Man musste sie schon gut kennen, um sie im Dunkeln nicht zu übersehen.
    »Wir hatten einen schweren Job und haben alles gegeben, das war unsere Pflicht. Wir waren immer zuverlässig, haben uns zwischen den Abschaum und die Psychopathen auf der einen und die normalen Menschen auf der anderen Seite gestellt, die einfach nur leben wollen. Und wir mussten zugucken, wie Kerle wie Stevie Fullerton, Frankie Callahan, dieCassidys und was weiß ich wer noch immer reicher und unantastbarer wurden; immer respektabler , während wir die Leichen wegräumen und durch das Leid waten, die denen ihren Wohlstand sichern.«
    Jasmine spürte gleich das Gefälle der holprigen, verschlungenen Straße. McDade fuhr langsam, als hätte er Angst, die Achse könnte bei einem Schlagloch oder einer Furche brechen. Er war die Strecke auf jeden Fall schon mal gefahren, er kannte alle Kurven und alle Gefahren. Das Fernlicht strahlte Wände aus Gestrüpp und Geröll zu beiden Seiten an, und unter den Rädern knirschten Kiesel und festgefahrene Erde.
    »Und wir kriegen kaum unsere Hypotheken bezahlt, die Studiengebühren unserer Kinder, die Pflegehilfen. Wenn wir endlich in Ruhestand gehen, sind unsere Pensionen schon komplett verplant und unser Erspartes aufgebraucht. Bill Raeside hat dreißig Jahre gearbeitet, seine Frau ist an Krebs gestorben, was kriegt er dafür? Ich hab mein ganzes Arbeitsleben mit diesem angeblichen Krieg gegen die Drogen verbracht, und wo sind wir jetzt? Mehr Süchtige und mehr Dealer als je zuvor, und wir beschlagnahmen geschätzte ein Prozent davon. War’s das wert? All unsere Bemühungen, all die Toten, all die Morde? Nie im Leben? Ja, wir haben beschlossen, dass wir uns eine
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