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Im Schatten des Mondlichts - das Erbe

Im Schatten des Mondlichts - das Erbe

Titel: Im Schatten des Mondlichts - das Erbe
Autoren: J.J. Bidell
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Eins
    Naomi küsste Roman zum Abschied. Mit einem Lächeln auf den Lippen wandte er sich ab und schob den Kinderwagen auf den Gehsteig hinaus. Am stahlblauen Winterhimmel prangte die Sonne und leckte die letzten grauen Schneepfützen weg. Die ersten Krokusse in den Blumenbeeten blühten in leuchtendem Lila und Gelb. Naomi atmete tief ein. Sie konnte den Frühling bereits riechen.
    Roman warf ihr noch eine Kusshand zu, bevor er in den Kiesweg einbog, der an den angrenzenden Feldern vorbeiführte.
    Für einen Moment verharrte Naomi im Türrahmen und blickte ihnen nach. Mit einem Seufzer schloss sie die Augen und ließ sich die wärmenden Sonnenstrahlen ins Gesicht scheinen.
    »Ist deine Mutter schon weg?«
    Erschrocken zuckte Naomi zusammen, als sie hinter sich die Stimme ihrer Großmutter vernahm.
    »Sie ist vor einer halben Stunde wieder zur Arbeit gegangen.« Naomi zog die Haustür ins Schloss und schlenderte in die Küche, wo sie sich einen Becher Kaffee einschenkte. »Für dich auch?«
    Leandra nickte und setzte sich an den Küchentisch. »Und? Hast du dich endlich entschieden?«
    Naomi reichte ihrer Oma die Tasse. »Roman findet in unserer Gegend keine vernünftige Stelle. Er kann nicht ewig in diesem Pub an der Theke aushelfen.« Sie strich sich eine Haarsträhne hinter das Ohr. »Und Hamburg können wir uns nicht leisten.«
    »Du hast also immer noch nicht den blassesten Schimmer, was du mit deinem Leben anfangen willst.«
    Naomi spürte Leandras Blick in ihrem Rücken, während sie sich selbst Kaffee eingoss, und schüttelte zaghaft den Kopf.
    Seit Wochen spielte sie in Gedanken die Möglichkeiten durch. Trotzdem wusste sie nicht, was sie tun sollte. Hier fühlte sie sich sicher und geborgen; dennoch war es unmöglich, weiterhin in ihrem Elternhaus zu bleiben. Bis zur Geburt hätten sie sich an keinem besseren Ort verkriechen können, doch jetzt war ihr Sohn geboren und es wurde Zeit ihr künftiges Leben zu planen.
    Wenn sie in Hamburg studierte, müsste sich Roman nicht nur in den Vollmondnächten um ihr Kind kümmern, sondern auch sonst ständig einspringen. Die Vorlesungen, die Klausuren und dann die Recherchearbeit, die sie von Romina immer wieder erhielt. All das bekäme sie ohne Hilfe nicht geregelt.
    Wenn sie auch nicht die geringste Ahnung hatte, was sie tun sollte, so wusste sie ganz genau, dass sie ihr Leben keinesfalls nur dem Clan widmen wollte; nicht so, wie Romina es tat. Eine eigene Zukunft, ein eigenes Leben. Das war ihr Ziel.
    Niemals würde sie Romans Reaktion vergessen, als sie ihm ihren Verdacht gestanden hatte, er könne nicht der Vater ihres Kindes sein. Nachdem sie erfahren hatte, dass Sammy noch lebte, war ihr bewusst geworden, dass nur dieser für ihre Schwangerschaft verantwortlich sein konnte.
    Die Trauer in Romans Augen hatte Bände gesprochen. Mit zusammengepressten Lippen hatte er sich wortlos umgedreht, um für drei Stunden zu verschwinden. Die ganze Zeit über hatte Naomi auf die Uhr gestarrt, bis sie endlich seine Schritte im Flur vernommen hatte.
    Mit einem unergründlichen Gesichtsausdruck hatte er sie angesehen und sich zu ihr auf das Sofa fallen lassen. Endlos lange war ihr die Stille vorgekommen, bis er zaghaft nickte und sagte, er könne damit leben, nicht der biologische Vater zu sein. Sammy sei unwichtig. Wichtig seien nur ihre Liebe und das Kind. Sein Kind, selbst wenn er nicht der Erzeuger sei.
    Vor Erleichterung war Naomi in Tränen ausgebrochen. In Rinnsalen waren sie über ihre Wangen gelaufen, bis sie ihr vom Kinn tropften.
    Seither stand Roman zu ihr; und zu Kai. Gemeinsam hatten sie beschlossen, dem Baby Kais Namen zu geben. Kai hatte damals im Wald sein Leben gegeben, um sie zu schützen, und das würde Naomi ihm nie vergessen.
    Insgeheim hatten sie beide bis zur Geburt gehofft, ihr Verdacht würde sich nicht bestätigen, doch der erste Blick auf das Neugeborene ließ keinen Zweifel zu. Die rotbraunen Härchen, die in Löckchen das kleine Gesicht umrahmten, leuchteten kupfern im Neonlicht. Es handelte sich um Sammys Sohn.
    Für einen Moment hatten Tränen in Romans Augen geschimmert, die er energisch weggewischt hatte. Doch schon eine Sekunde später hatte er sich zu ihr aufs Krankenbett gesetzt, sie geküsst und gelächelt. Selbst als Naomis Mutter die roten Haare auf Romans Vorfahren schob, hatte er die Fassung bewahrt und gemurmelt, seine Urgroßeltern kämen aus Irland und deren Gene hätten offenbar durchgeschlagen. Für diese Erklärung liebte ihn Naomi
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