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Wer im Trueben fischt

Wer im Trueben fischt

Titel: Wer im Trueben fischt
Autoren: Mechthild Lanfermann
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las den Fahrplan, der hinter einer Plastikscheibe klemmte. Sie hatte sich Strumpfnähte in Dunkelrot auf die Waden gemalt. Es sah aus wie Blut, das ihr an den Beinen herunterlief.
    Anne Friedrich sagte:
    »So eine Stelle. Ich kann von Glück reden!«
    Emma wusste nicht, was sie sagen sollte. Die Referentin sagte leise:
    »Sie kennen mich doch gar nicht.«
    Emma sah der Frau mit den aufgemalten Strumpfnähten nach, die es sich anscheinend anders überlegt hatte und jetzt weiterging.
    »Ja. Entschuldigung. Alles Gute.«
    »Ja. Ihnen auch.«

D ie Praktikantin knabberte vor Aufregung an ihren Fingernägeln, dabei hatte das French Manicure ihr halbes Wochentaschengeld gekostet. Sie konnte es kaum erwarten, bis Abend war und sie die anderen aus der Klasse sah. Bestimmt hatte sie es am besten getroffen. Sie würde die anderen erst reden lassen, vom Kartonauspacken und Kundinnen-die-Haare-Waschen. Und dann würde sie ganz lässig erzählen. Dass sie beim Ü-Wagen mitgefahren war und ins Kino gehen durfte, ganz umsonst und mitten am Tag! Sie konnte im Internet surfen und Musik hören, nur leider spielten die hier voll die Opatitel. Gestern war sie im Studio gewesen. Der Moderator hatte ein bisschen mit ihr geflirtet. Jetzt waren alle in der Sitzung. Sie hatte sich genau aufgeschrieben, was sie sagen sollte, wenn das Telefon klingelte. Trotzdem lief gleich das erste Gespräch schlecht, die Frau war aber auch komisch. Sie sollte eine Nachricht für Schneider aufschreiben, aber erstmal brauchte sie dafür ja wohl einen Stift und neues Papier. Und dann der Text! Die Frau fuhr ins Panther-Haus zu einer Martha Steiner, und Schneider sollte in einer Stunde die Handynummer eines Polizisten wählen, falls sie sich nicht meldete. Der Praktikantin kam das merkwürdig vor, und sie überlegte, ob sie hier veräppelt wurde, vielleicht von den Jungs aus der Technik-Ausleihe, die hatten sie gestern ganz schön auflaufen lassen. Aber sie ging lieber auf Nummer sicher und schrieb alles langsam und in Schönschrift noch mal ab. Dann ging sie zu Schneiders Büro und klopfte vorsichtshalber noch mal an. Aber alle waren ja in der Sitzung. Auf dem Schreibtisch herrschte ein Riesenchaos, das sollte ihre Mutter mal sehen, dann würde sie nicht mehr sagen, dass sie zu schlampig wäre und aus ihr nichts werden könnte. Den Zettel legte sie obenauf und beschwerte ihn mit einem Brieföffner, damit er nicht herunterfiel. Dann ging sie zurück ins Großraumbüro.
    Martha Steiner war da, natürlich war sie da. Als sie die Tür öffnete, sah Emma die Einsamkeit in den Augen der alten Frau, den Hunger nach Unterhaltung, die Erleichterung, den stillen Räumen für eine Weile entkommen zu können. Es war nur ein Wimpernschlag, dann setzte sie wieder ihr hochmütiges Gesicht auf. Aber Emma war auf der Hut, sie ließ sich nicht mehr täuschen mit angeblichen Freunden, die keinen Blick an sie verschwendeten.
    »Was ist denn noch?«
    Emma lächelte, es schmerzte in den Mundwinkeln.
    »Ich möchte spielen.«
    Wieder das Zögern, das Emma nun schon kannte. Dann öffnete Martha die Tür weit und ging voraus ins Wohnzimmer.
    Emma ließ ihre Schuhe an. Martha warf einen Blick darauf, sagte aber nichts.
    »Möchten Sie Tee?«
    Emma nickte, und Martha ging sehr gerade in Richtung Küche. Emma warf einen schnellen Blick in das halbrunde Wohnzimmer. Es hatte sich nichts verändert, alles stand noch so da wie an ihrem letzten Besuch vor fünf Tagen. Sie hörte Martha mit dem Geschirr in der Küche und rief:
    »Wir waren doch schon beim Du!«
    Martha kam zurück, in der Hand das Tablett. Wieder nahm Emma ihr die Last ab und stellte die Tassen auf das Tischchen beim Dame-Spiel. Martha war ihr gefolgt und setzte sich. Sie sah Emma an. Dabei kniff sie die Augen ein wenig zusammen, als hätte sie Schwierigkeiten, ihr Gegenüber zu erkennen.
    »Ob ich zu solchen Vertraulichkeiten bereit bin, muss ich jeden Tag wieder neu herausfinden.«
    »Das ist bei mir anders«, sagte Emma und stellte die Tassen vor Martha und sich selbst ab, »wenn ich erst einmal jemanden in mein Herz geschlossen habe, dann kann ich nicht mehr zurück.«
    Sie nahm einen Schluck von dem Tee und lehnte sich zurück.
    »Es ist mir, als würde ich dich schon ganz genau kennen, dabei weiß ich eigentlich kaum etwas über dich. Was ist denn zum Beispiel mit deinem Ehemann?«
    Martha hielt ihren Tee in den Händen, ohne zu trinken.
    »Was soll mit ihm sein?«
    »Ich weiß nur, dass er Finanzsenator war. Er war
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