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Wer im Trueben fischt

Wer im Trueben fischt

Titel: Wer im Trueben fischt
Autoren: Mechthild Lanfermann
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Millionen.«
    Blume sagte:
    »Also das stimmt mit Klinkes Aussage überein. Rosenbergs Umsatz geht Anfang der 30er rapide zurück.«
    »Aber warum dann so ein Riesenverdienst 1933?«
    Als Emma das Jahr 1929 aufschlug, blieb sie einen Moment ganz still. Dann drehte sie sich zu Blume und hielt ihm die Unterlagen hin.
    »Sieh mal.«
    Und Rosenberg las:
    »Grundstückshandel am Botanischen Garten, Zehlendorf-West. Siedlungsbau in Klein-Machnow, dreizehn Häuser. Gewinne aus einer Dampfziegelei in der Nähe von Schneidemühl. Insgesamt 4,2 Millionen.«
    Sie sahen sich an. Emma sagte: »Sie haben den Steuerbescheid gefälscht. Es sind die Angaben von 1929. Vermutlich war das wirtschaftlich gesehen Rosenbergs bestes Jahr.«
    Blume verglich noch einmal die Zahlen aus den Ordnern von 1933 und 1929. Er sah Emma an.
    »Aber warum?«
    »Waldreich hat mir erklärt, wie das funktionierte. Wollte jemand bei den Nazis ausreisen, musste er eine Reichsfluchtsteuer zahlen. Diese Steuer wurde prozentual aus dem Vermögen berechnet. Und das wiederum setzte sich zusammen aus den Teilen der Umzugsgutliste, also dem, was die Leute, die ausreisen wollten, mitnahmen, und ihren Einnahmen, abzulesen im letzten Steuerbescheid.«
    »Und wenn jetzt also dieser Steuerbescheid falsche Angaben enthält …«
    »Dann ist natürlich auch die Reichsfluchtsteuer viel zu hoch angesetzt! Rosenberg hat 1932 gerade mal noch 80.000 verdient. 1933 wird es noch viel weniger gewesen sein. Und dann bekommt er einen Steuerbescheid, in dem steht, dass er über vier Millionen versteuern muss.«
    Blume sah hoch.
    »Er konnte nicht zahlen.«
    Emma nahm sich noch einmal die Akte und schlug sie auf.
    »Sein Geld steckte in den Baufeldern, die er bereits verpachtet hatte. Und denk an sein Haus in Lichterfelde! Selbst wenn er es noch geschafft hätte, etwas zu verkaufen, er bekam ja das Geld nicht zu sehen.«
    Blume nickte.
    »Also war klar: Gefängnis oder Flucht.«
    Langsam schloss Emma die Akte und lehnte sich zurück.
    »Jetzt wissen wir also, was ein junger Fisch ist. Sie haben den fiskalischen Schluss, die letzte Rechnung vom Finanzamt, vordatiert. Verjüngt, sozusagen.«
    Beide schwiegen einen Moment. Emma dachte an den Mann von der Fotografie, Rosenberg, der seine schöne Frau Miriam im Arm hielt und zärtlich anlächelte. Er hatte versucht, ihr Leben zu sichern.
    »Aber wem hat das genutzt?«
    Emma drehte sich zu Blume.
    »Was meinst du?«
    Blume legte seine Hand auf die blauen Hefte.
    »Das hier hat es ihm im Ausland verdammt schwer gemacht. Und an eine Rückkehr nach Deutschland war überhaupt nicht zu denken. Wem hat das genutzt?«
    Die beiden sahen sich an. Schließlich sagte Emma:
    »Bohmann.«
    »Ich fahr noch mal zu dem Sohn. Vielleicht hat ihm der Vater doch noch was erzählt.«
    Emma stand auf und packte die Ordner zusammen.
    »Gut. Ich bring nur noch schnell die Sachen zurück.«
    Blume räusperte sich.
    »Du kannst nicht mitkommen.«
    Sie stand da mit den blauen Heften und drehte sich zu ihm um.
    »Wie bitte?«
    »Ich kann da nicht mit dir aufkreuzen. Das muss dir doch klar sein.«
    Emma starrte ihn an.
    »Ohne mich wärst du nie auf diese Spur gekommen, verdammt!«
    »Und du hättest mir nichts davon gesagt, wenn du mich hier nicht gebraucht hättest!«
    Sie sahen sich wütend an. Dann nahm Blume seinen Autoschlüssel vom Tisch und spielte damit herum.
    »Soll ich dich irgendwo absetzen?«
    Emma nahm wieder die Hefte und drehte ihm den Rücken zu.
    »Viel Erfolg. Bisher hast du ja ohne mich nicht viel zustande gebracht.«
    Sein versöhnliches Lächeln verrutschte. Er starrte sie noch einen Moment an, als wollte er etwas sagen. Dann ging er schnell zur Tür und warf sie laut hinter sich zu.
    Emma murmelte Flüche und trug die Ordner zurück zur Archivarin. Als sie sie vorsichtig auf den Tisch legte, schaute die Frau dahinter hoch.
    »War etwas nicht in Ordnung?«
    »Nein, schon gut. Vielen Dank.«
    Die Frau nickte und war schon wieder abgetaucht. Emma ging zögerlich die Treppe Richtung Ausgang hoch. Es war ihr, als habe sie etwas Wesentliches übersehen. Wenn es wirklich der alte Bohmann gewesen war, der hinter dem Betrug steckte, wie hatte er es angestellt? 1934 war er Anfang zwanzig. Er war bei einem Bauunternehmer angestellt. Konnte er sich so gut mit den Steuergesetzen auskennen?
    Eine Frau machte die Tür von außen auf und wäre fast über Emma gestolpert. Die Frau hatte einen Karton mit Papieren auf den Armen. Sie stutzte, nickte kurz und ging
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