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0980 - Der Fluch des dunklen Apfels

0980 - Der Fluch des dunklen Apfels

Titel: 0980 - Der Fluch des dunklen Apfels
Autoren: Christian Schwarz
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Die düstere, hochgewachsene Gestalt mit den grellrot leuchtenden, geschlitzten, schräg nach oben gezogenen Augen starrte der Seele, die wie ein welkes Blatt im Sturm durch den Schlund wirbelte, einen ewigkeitslangen Moment nach.
    »Was passiert hier auf Avalon?«, murmelte sie im Selbstgespräch. Einsame griffen oftmals zu dieser Methode, um die Einsamkeit erträglicher zu gestalten und die Herrin vom See machte da keine Ausnahme. »Es ist in all den verstrichenen Äonen noch niemals vorgekommen, dass irgendetwas im Allerheiligsten der Zeitenfähre gelandet ist. Ich habe es immer zu verhindern gewusst.« Sie fuhr fast zärtlich über die schwarz leuchtenden, kristallinen Wände und spürte die unglaubliche Kraft, die darin floss. Kraft, die zu einem winzigkleinen Teil auf sie überging und sie nährte.
    »Es fühlt sich an wie seit ewigen Zeiten, auch wenn diese nicht gestern, nicht heute, nicht morgen sind«, setzte sie ihr Selbstgespräch fort. »Und doch ist etwas anders geworden. Fällst auch du den Veränderungen anheim, mein Herz, ohne dass ich es fühlen könnte? Wie kann es sein, dass eine Seele, die der Hölle versprochen war, urplötzlich Zugang zu dir findet? Eine völlig fremde Mentalsubstanz, die noch nicht einmal die des Beschenkten ist? Doch auch Robert Tendykes Ich hat niemals dein Innerstes erreicht, wenn es nach seinem Tod hierher kam, um sich zu regenerieren und auf der Erde weiterzuleben…«
    »Was aber passiert beim nächsten Mal, wenn Tendyke die Zeitenfähre ansteuert? Kommt er dann wie üblich bei den Priesterinnen an? Oder doch in dir, so wie die andere Seele? Wie kann es sein, dass sich einem x-beliebigen Verdammten plötzlich ein Weg hierher auftut?«
    Im nächsten Moment befand sie sich wieder draußen und beobachtete das wunderschöne, erhabene Allerheiligste aus den Nebeln heraus.
    »Sind wir noch eins, mein Herz ? Habe ich noch die Macht, über dich zu wachen und dich zu schützen? Oder greifen die Umwälzungen im Magischen Universum, die durch den Untergang der Schwefelklüfte entstanden sind, nun doch auch nach dir… nach uns, nach der ganzen Zeitenfähre?«
    Die Herrin vom See hob beide Arme in die Höhe. Das Rot in ihren Augen schien auf einmal zu explodieren. Ströme so rot wie Blut und so zähflüssig wie Lava liefen aus ihren Augen, rannen in dünnen Streifen über das Gesicht und den Körper hinunter. »Ja, ich spüre nun, dass sich Durchgänge auftun, die es zuvor noch nicht gab. Da sind… Risse im Schöpfungsgefüge. Größere als je zuvor. Gefährliche Risse. Und sie verändern sich schnell. Was wird auf uns zukommen, Herz ? Kannst du es mir sagen?«
    ***
    Onda, die Oberste der Priesterinnen von Avalon, starrte sinnend über den See. Am gegenüberliegenden, nicht allzu weit entfernten Ufer erhob sich eine schroffe, schrundige, von Moosen bewachsene Felswand. Zwei nackte Naturgeister kletterten flink darin umher, keckerten und lachten und paarten sich dabei immer wieder. Onda hatte dergleichen schon Millionen Mal gesehen, es amüsierte sie nicht, es langweilte sie aber auch nicht. Sie sah einfach zu, weil es im Moment ohnehin nichts anderes zu tun gab.
    Allerdings ertappte sie sich bei der Vorstellung, sie sei der weibliche Naturgeist und Asmodis, der Teuflische, der vor nicht allzu langer Zeit hier gewesen war, der männliche. Es kribbelte plötzlich in ihrem ganzen Körper, so stark, dass sie zutiefst erschrak. Verzweifelt versuchte sie an etwas anderes zu denken, aber je stärker sie das tat, desto stärker setzten sich die frevlerischen Gedanken durch.
    Was ist nur so plötzlich mit mir los? Die Priesterinnen Avalons dürfen nur untereinander körperliche Liebe genießen, aber niemals mit Fremden und schon gar nicht mit männlichen Wesen. Sonst geschieht Schlimmes, denn die Herrin vom See duldet es nicht…
    Onda kam die bedauernswerte Einhornreiterin in den Sinn. Einst hatte Merlin, der auf der Feeninsel eine gewisse Machtposition innegehabt hatte, eine der Priesterinnen verführt. Das Ergebnis der Liebesnacht war ein kleines Mädchen gewesen, dem die Menschen den Namen Eva gegeben hatten. Die Herrin vom See hatte das Kind der Schande und seinen ehrlosen Vater, der durchaus gewusst hatte, dass er Verbotenes tat, mit einem komplizierten Fluch belegt. Eva, die gerne auf Einhörnern geritten war, war ab da verdammt, alt ins Leben zu gehen und dann rückwärts leben zu müssen. Sie war immer jünger geworden und in dem Maße, wie sie jünger geworden war, hatte Merlin
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