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Ausdruckstanz ist keine Lösung: Geschichten

Ausdruckstanz ist keine Lösung: Geschichten

Titel: Ausdruckstanz ist keine Lösung: Geschichten
Autoren: Andreas Scheffler
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VORWORT
    Seit mittlerweile über zwanzig Jahren lese ich jeden Sonntag, immer um 13 Uhr, gemeinsam mit Andreas Scheffler Geschichten vor. Jeder seine eigenen natürlich, vor einem in all den Jahren stets erstaunlich ausgeschlafenen Publikum. Und seit über zwanzig Jahren freue ich mich jeden Monat wieder auf Andreas neue Geschichten.
    Obwohl seine Texte nicht gerade einer überschäumenden Lebensfreude entspringen. Andreas ist streng, sich selbst, seinen Geschichten, seinen Mitlesenden und aber auch der gesamten restlichen Welt gegenüber. Seinen Geschichten verleiht diese Strenge eine große innere Kraft. Andreas beschreibt schlimme Dinge, prangert an, regt sich auf, ist dabei aber alles andere als ein Choleriker, er wird nicht einmal laut. Er ist ein leiser, würdevoller Wüterich.
    Die sehr runde, gepflegte Sprache, in welcher er all seine Erlebnisse schildert, dieser sehr aufwendige Stil, den er wohl niemals preisgeben wird, verstärkt diese Wirkung natürlich noch und bietet gleichzeitig dem häufig abgründigen, schonungslosen Witz seines Erzählten einen idealen Boden.
    Als idealer Boden für seine Geschichten erweist sich aber auch das wunderbare Brandenburg. Wer jahrelang in einer dunklen Parterrewohnung im tiefsten Wedding gewohnt hat, dann die Hauptstadtwerdung und Luxussanierung in Mitte aus nächster Nähe verfolgen durfte und schließlich selbst, als Bauherr, ein Haus am See, in einem sehr kleinen Ort, tief, sehr tief in Brandenburg baut, der hat eigentlich alles Wesentliche erlebt. Der würde sich bei einem Überlebenstraining am Amazonas vermutlich nur noch langweilen. Andreas Scheffler hat richtig was zu erzählen und ich bin sehr froh, dass er das auch tut. Noch mehr freue ich mich, viele seiner Geschichten jetzt endlich in einem Buch nachlesen zu können. Denn sie sonntags heimlich aus seiner Kladde zu kopieren hätte ich mich dann doch nicht getraut. Denn Andreas ist streng, aber er will natürlich für alle nur das Beste. Einiges von diesem Besten werden Sie auf den nachfolgenden Seiten entdecken dürfen.
    Viel Freude dabei wünscht
    Horst Evers

Ausdruckstanz ist keine Lösung
    Ausdruckstanz ist laut Duden ein »künstlerischer Tanz, der seelische Empfindungen durch Bewegung ausdrücken will«. Demnach ist für mich ein jeglicher Tanz auch Ausdruckstanz, denn er drückt die seelische Qual aus: »Was mache ich hier eigentlich?!« Manche sprechen auch von »Tanzsport«. Ich halte Tanzen nicht für Sport, denn eigentlich soll Tanzen ja Vergnügen bereiten.
    In meiner Heimatstadt war es üblich, im siebten oder achten Schuljahr einen Kurs in der Tanzschule Stüwe-Weissenberg zu besuchen. Ganze Klassenverbände sind da hingegangen. Es war vermutlich mein erster Akt von Nonkonformismus, dass ich da nicht mitgemacht habe. Außerdem hatte ich schlechte Erfahrungen mit dem Tanzen. Bei meiner ersten Klassenfete, ich war zwölf, war es dazu gekommen, dass ich mit Beatrix Blues getanzt hatte. Wenn man das Sich-Umschlingen mit gleichzeitigen kurzschrittigen Bewegungen zu langsamer Musik Tanzen nennen kann. Dieses endlos erscheinende, frühpubertäre Liebesritual hatte zur Folge, dass meine Klassenkameradin Silke weinend den Raum verließ, sich im Flur in eine Ecke hockte, von mehreren Freundinnen in tröstender Absicht verfolgt wurde, diese Freundinnen kurz darauf wieder erschienen, um mich zu holen, damit ich Silke – ja was eigentlich? Wurde von mir erwartet zu sagen: »Jau, is gut, dann tanze ich eben nicht mehr mit Beatrix, wenn du deshalb so schrecklich weinen musst. Dann gehen jetzt eben wir zwei miteinander.« Ich stand also vor diesem jammernden Bündel, das seiner seelischen Empfindung durch Tränen Ausdruck verlieh, war umringt von drei Mädchen, die sagten, ich solle etwas sagen, konnte aber nichts sagen, weil ich nicht wusste, was, sagte also nichts und ging nach wenigen langen Minuten wieder weg. Die Beziehung zu Beatrix hat sich, nach einigen Tagen, die wir wortlos auf dem Schulhof standen, zerschlagen. Ich komme aus einer sozialdemokratischen Familie, ihr Vater war CDU-Stadtrat und hatte vermutlich diese Mesalliance verboten. Außerdem spielte sie Geige, und das Ganze wäre auf Dauer eh nicht gut gegangen. Silke und ich wurden später gute Kumpel.
    Eine weitere Tanzerfahrung hatte ich auf der Silberhochzeit meiner Eltern 1979 im Haus Mütherthies. Wie bei fast allen Festveranstaltungen im Gütersloher Raum spielte das Duo »Schmedtkordt und Koch« zum Tanze auf. Herr Schmedtkordt an der
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