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Wer im Trueben fischt

Wer im Trueben fischt

Titel: Wer im Trueben fischt
Autoren: Mechthild Lanfermann
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Schluss. Aber jung? War der Mann vielleicht jung?«
    Blume sah Emma an. Die zog ihr Notizbuch heraus.
    »Ich glaube nicht. Warten Sie. Hier. Rosenberg ist 1886 geboren. Dann war er zu diesem Zeitpunkt … 48 Jahre alt.«
    Blume verzog das Gesicht.
    »Nicht wirklich jung.«
    »Tja dann«, die Frau zuckte mit den Schultern, »keine Ahnung.« Sie verließ den Raum.
    Emma beugte sich wieder über den Inhalt des blauen Ordners. Sie vertiefte sich in den Steuerbescheid. Blume beobachtete sie.
    »Was ist?«
    Emma schaute ihn an wie aus weiter Entfernung.
    »Irgendwas ist komisch. Warte mal.«
    Sie stand auf und rannte aus dem Raum. Die Archivarin saß wieder an ihrem Platz hinter der Theke und schaute hoch, als Emma hereinkam.
    »Kann ich auch noch die anderen Steuerbescheide von dem Mann einsehen? Also die aus den Vorjahren?«
    Die Frau sah nicht begeistert aus, aber sie nickte.
    »Die muss ich aber erst raussuchen.«
    »Ja. Danke.«
    Emma schaute in den Lesesaal, aber Blume war nicht mehr dort. Sie ging die Treppe hoch und sah ihn vor der Tür auf und ab gehen. Er telefonierte. Sie setzte sich auf die Eingangsstufen. Als er sie sah, klappte er sein Handy zu und kam zu ihr.
    »Unten ist kein Empfang.«
    »Ist was?«
    »Nee. Aber ich hab meinem Assistenten gesagt, ich bin erreichbar.«
    Sie nickte.
    Blume setzte sich neben sie auf die Stufen und sah sie an.
    »Hast du was rausgefunden?«
    »Ich hab noch die anderen Steuerbescheide angefordert.«
    »Warum?«
    »Weiß nicht. Ist nur so eine Idee.«
    »Was denn?«
    »Vielleicht ist es gar nichts.«
    Blume drehte sich nach vorn. Er massierte sich so heftig die Fingergelenke, dass sie knackten.
    »Du gehst mir auf die Nerven mit deiner Geheimniskrämerei.«
    Keine Antwort. Als er eine Bewegung neben sich spürte, drehte er sich zu ihr. Sie rieb sich die Augen.
    »Was ist denn jetzt los?«
    Sie nuschelte:
    »Mir ist was ins Auge geflogen.«
    Sie starrte geradeaus. Dann hob sie den Arm wieder zum Gesicht.
    Er fing ihre Hand ab und hielt sie am Gelenk fest.
    »Lass das doch, du machst es nur noch schlimmer.«
    Sie drehte sich zu ihm und küsste ihn. Einen Moment war er so überrascht, dass er zurückfuhr. Dann küsste er sie auch. Sie ließen sich Zeit, waren zuerst vorsichtig. Sie streichelten sich über das Gesicht und atmeten den Geruch des anderen ein. Dann küssten sie sich wieder. Als die Archivarin auftauchte, fuhren sie mit roten Gesichtern auseinander.
    »Ich hab alles auf den Tisch gelegt.«
    Emma stand schnell auf.
    »Ja, danke.«
    Die ältere Frau ging wieder zurück in ihr Reich. Emma drehte sich zu Blume um. Er war auch aufgestanden. Ruhig stand er da und sah sie an. Emma lächelte.
    »Kommst du mit?«
    »Sicher.«
    Sie gingen nebeneinander die Treppe hinunter. Im Lesesaal setzten sie sich eng nebeneinander. Ein Stapel von sieben blauen Ordnern lag vor ihnen auf dem Tisch. Emma nahm sich den von 1932, blätterte ihn rasch durch und ließ ihn offen vor ihnen liegen. Blume sah sie an. Emma fühlte, dass sie schon wieder rot wurde, und fing schnell an zu reden, während sie sich den nächsten Ordner mit den Unterlagen von 1931 griff.
    »Der Professor für Architektur, Klinke, der hat doch gesagt, dass Rosenberg bei den Nazis kaum mehr Aufträge bekam. Aber seine Steuererklärung von 33 weist jede Menge Einnahmen auf.«
    Sie zog die Akte zu sich.
    »Hier. Grundstückshandel am Botanischen Garten, Zehlendorf-West. Siedlungsbau in Klein-Machnow, eine ganze Häuserreihe. Gewinne aus einer Dampfziegelei in der Nähe von Schneidemühl. Insgesamt beträgt der Umsatz der Firma Rosenberg Bauausführungen im Jahr 1933 etwas mehr als 4,2 Millionen Reichsmark.«
    Blume besah sich noch einmal alles stirnrunzelnd.
    »Und wenn es sich dabei um alte Rechnungen handelt? Klinke hat auch gesagt, dass Rosenberg sehr gut im Geschäft war, bevor die Nazis kamen. Vielleicht sind das die Einahmen von Aufträgen, die er im Jahr davor erledigt hatte und die erst jetzt bezahlt wurden.«
    »Möglich. Aber ist es wahrscheinlich, dass er 1932 so viel zu tun hatte? In dem Jahr musste schon das Bauhaus in Dessau auf Drängen der NSDAP schließen. Und Rosenberg war auch noch Jude!«
    Blume schwieg und verglich die Zahlen in den Aktenordnern. Emma schlug weitere blaue Ordner auf und legte die Seiten untereinander.
    »Die Steuererklärung von 1932. Rosenberg hat noch Einnahmen von 80.000 Reichsmark. Dann 1931. Der gesamte Umsatz beläuft sich auf 1,2 Millionen. Und 1930 dann immerhin noch zweieinhalb
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