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Wer im Trueben fischt

Wer im Trueben fischt

Titel: Wer im Trueben fischt
Autoren: Mechthild Lanfermann
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kurz erwähnt und sagte selbst ein paar Worte zur Begrüßung.
    Auch der Professor wurde aufgefordert sich vorzustellen. Es gelang ihm mit Souveränität. Dass er nervöser war als üblich, zeigte sich höchstens an seinen Fingern, die auf das Glas in seinen Händen trommelten.
    Als Tom Rosenberg den Saal betrat, stand der Professor an der Bar und bestellte weitere Gläser Champagner. Ihm fiel auf, dass Rosenberg bleich und seltsam derangiert wirkte. Sogar sein flammend rotes Haar erschien blass.
    Auch der Präsident hatte Rosenberg entdeckt.
    »Mein lieber Tom«, rief er und ging auf Rosenberg zu, der ihm linkisch entgegenblinzelte, »da sind Sie ja endlich.«
    Er legte dem Mann seine rechte Hand auf die Schulter, während er mit der linken nach seiner Referentin winkte, die mit dem schnurlosen Mikrofon auf die beiden zugelaufen kam. Tom Rosenberg hatte bislang in keiner Weise reagiert. Weder erwiderte er die Umarmung, noch wehrte er sich dagegen.
    Der Professor reichte einem Kollegen ein Glas Champagner. Auf dem Glas blieb ein feuchter Abdruck seiner Finger. Schnell wischte er ihn weg und lachte über einen Scherz, den die brünette Frau machte. Ihm fiel auf, dass sie stark geschminkt war.
    Der Präsident räusperte sich laut in das Mikrofon hinein.
    »Meine sehr verehrten Damen und Herren. Liebe Kollegen. Ich möchte Ihnen jetzt den Mann vorstellen, den wir glücklicherweise für unsere einjährige Gastdozentur haben gewinnen können. Viele von Ihnen kennen ihn durch seine Publikationen: Tom Rosenberg.«
    In den freundlichen Applaus hinein reichte der Präsident Rosenberg das Mikrofon. Er musste es dem seltsam passiven Gastdozenten fast in die Hand drücken.
    Im Saal war es still. Die brünette Frau an der Seite des Professors reckte sich, um besser sehen zu können. Der Professor entlastete unmerklich sein rechtes Bein. Rosenberg rührte sich nicht.
    Der Präsident lächelte verunsichert.
    »Bitte, stellen Sie sich doch kurz Ihren neuen Kollegen vor, Professor Rosenberg.«
    Alle schauten auf den hochgewachsenen schlanken Mann. Auch der Professor starrte zu ihm hinüber. Seine Finger krallten sich so fest um das Champagnerglas, das es beinahe zerbrach.
    Rosenberg blickte starr auf den Präsidenten. Er hustete lange. Dabei hielt er sich die Hand mit dem Mikrofon vor den Mund, so dass die keuchenden Töne durch den Raum hallten.
    Der Präsident wechselte einen Blick mit seiner Referentin. Dann schaute er wieder Rosenberg an. Er setzte ein breites Lächeln auf und deutete ihm mit einer Handbewegung an, er solle ins Mikrofon sprechen.
    Rosenberg fing sich wieder. Er sagte etwas, das der Professor auf die Entfernung nicht verstehen konnte. Der Präsident schüttelte den Kopf. Rosenberg sah ihn wieder an, eine Ewigkeit lang. Im Saal wurde es unruhig. Die brünette Frau lachte nervös und tastete nach ihrem Haar. Rosenberg fuhr mit der linken Hand in seine Anzugtasche und holte einen Zettel heraus.
    Der Professor hielt den Atem an. Rosenberg schob den Zettel dicht vor die Augen. Als er endlich die Hand mit dem Mikrofon zum Mund führte, klang seine Stimme heiser. Er las die Worte vom Zettel ab. Die Lippen des Professors bewegten sich synchron zu den Worten, die Rosenberg mit starkem amerikanischem Akzent sagte:
    »Ich kann die Professur nicht annehmen.«
    Ein Raunen ging durch den Saal. Dem Präsidenten blieb der Mund offen stehen. Komm schon, dachte der Professor. Er fuhr sich über die schweißnasse Stirn. Sag es.
    Rosenberg hob leicht die Hand. Sofort war es wieder still. Er wendete sich noch einmal dem Blatt zu.
    »Ich fühle mich dieser Stellung nicht würdig.«
    Der Professor atmete aus. Rosenberg gab das Mikrofon an den Präsidenten zurück. Seine Lippen formten einige Worte, die der Professor auch auf die Entfernung ahnte – I’m sorry. Der Präsident schaute ihn mit offenem Mund an. Rosenberg blickte über den Kopf des Präsidenten suchend durch den Saal. Der Professor drehte sich ein wenig zur Seite und nahm einen Schluck aus seinem Glas. Sein rechtes Bein schmerzte stärker als gewöhnlich. Das Geraune im Saal schwoll an.
    »Aber mein lieber Freund, wissen Sie denn überhaupt, was Sie da …«
    In dem Moment ging die Stimme des Präsidenten im Gemurmel unter. Seine Referentin hatte ihm das Mikrofon sanft aus der Hand genommen und es ausgestellt.
    Der Professor gab vor, sich auf dem Stehtisch abstützen zu müssen. Jetzt stand die brünette Frau zwischen ihm und der kleinen Gruppe um Rosenberg. Über ihre
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