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Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin

Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin

Titel: Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin
Autoren: Manfred Böckl
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DOMPLATZ IN AUGSBURG
Fasching 1428

Des jars was ain stechhof
hie und stach darinn hertzog
Albrecht von München und
ander edelleut und burger.
Augsburger Chronik von Hektor Mülich

    Einen zähen, unguten Augenblick lang fühlte der sechsundzwanzigjährige Wittelsbacher sich wie ein Gehenkter.
    Hilflos hing er am Haken des Seils, das unter der Gewölbedecke des Torganges über die knarrenden Holzscheiben des Flaschenzugs lief. Das Keuchen der Knechte, das Tauächzen, die fürchterliche Beklemmung im zwängenden Harnisch dazu kamen dem jungen Herzog plötzlich wie etwas zutiefst Feindseliges vor. Wie etwas, das ihn abwürgen wollte und wegdrosseln aus der Welt. Übelkeit, Sodsaures quollen ihm brennend die Kehle hoch, als jetzt draußen auf dem Platz auch noch das Toben und Johlen aufbrandete; als in seine Pein hinein zusätzlich das schmetternde Huftrappeln schlug. Im nächsten Moment freilich spürte er den Leib des eigenen Rosses zwischen den geschienten Schenkeln, und der kreatürliche Kontakt löste seine Spannung so jäh, wie sie ihn befallen hatte.
    Nicht nur körperlichen, sondern auch inwendigen Halt fand der Thronfolger des Teilherzogtums Bayern-München und Graf von Vohburg im hochlehnigen Sattel des Percheron-Rappen 1 . Während Albrechts Linke versuchsweise nach dem Schabrackenzügel griff und seine Eisenschuhe sich in die Muldungen der Steigbügel tasteten, löste einer der bischöflichen Söldner den Seilhaken und dann auch den spannenbreiten Ledergurt von der Hüfte des Wittelsbachers. Beendet war damit die umständliche Prozedur, durch die ein spätmittelalterlicher Kämpe in seinem zentnerschweren Plattenpanzer aufs Pferd gehievt werden musste. Was jetzt noch zu tun war, damit der Herzog auf die Stechbahn konnte, würden des Münchners Leibknappen besorgen.
    Die halbwüchsigen Burschen mit den weiß-blauen Wecken 2 auf den Kollern befestigten an den Flanken des Rappen die Vorleder, die später Schenkel und Schienbeine des Reiters vor direkten Stößen schützen sollten. Danach legten sie die metallene Spange um die Lenden ihres Herrn und schellten sie am vorderen Sattelbug an. Selbst wenn der Turnierkämpfer den Halt völlig verlor, konnte er – auf diese Weise gesichert – unmöglich stürzen. Nun kam der Helm an die Reihe; der junge Herzog setzte ihn sich eigenhändig auf, ließ das Visier vorerst noch offen und wartete anschließend ab, bis der älteste der Knappen – auf einem Podest stehend – den Kinnschutz mit der Halsberge 3 verschraubt hatte. Von draußen, vom Domplatz her, waren jetzt erneut schneller Hufschlag, Holzsplittern und der erregte, fast brünstige Aufschrei der Menge zu vernehmen. Der Percheron des Wittelsbachers begann zu stampfen; Albrecht hatte einige Mühe, den Schildarm durch die Schlaufen der Schutzwaffe zu zwängen.
    Dann aber brachte er den Rappen durch eine harte Parade wieder zur Räson. Das Tier stand wie gemeißelt, als der Ritter zuletzt die schwere Lanze von einem seiner Helfer entgegennahm.
    Die Krönleinspitze 4 schräg nach oben gerichtet und die Zügel unter dem eingebuchteten Schild in der Linken, spornte Albrecht von Bayern-München den Hengst und preschte auf den Stechhof im Schatten des Augsburger Domes und des Bischofspalastes hinaus. Seine drei Knappen, auch was sich sonst an persönlichem Gefolge im Torschlund zwischen Kathedrale und Steinmetzhütte aufgehalten hatte, folgten ihm im Laufschritt.
    Das Auftauchen des Wittelsbachers steigerte den ohnehin schon beachtlichen Lärm zum Crescendo. Die Reichsstädter, obzwar dem Herzogshaus nicht untertan, wussten die Ehre von Albrechts Teilnahme an ihrem Turnier sehr wohl zu würdigen. Dass der Münchner jung, unverheiratet und gut aussehend war, bewirkte – zumindest in den Augen der Weiber – ein Übriges. Auch war in letzter Zeit gemunkelt worden, dass eine große Liebe sehr tragisch für ihn geendet habe. Jetzt, da Albrecht von Bayern sich beim Umrunden des Platzes in voller kriegerisch-barbarischer Pracht zeigte, flogen ihm die Frauenherzen und Ziertüchlein massenhaft zu. Die männlichen Augsburger hingegen berauschten sich an dem ritterlichen Ruf, der ihn umwitterte. In der Schlacht von Alling 5 , sechs Jahre lag das nun zurück, hatte der Herzog ihn begründet, und seitdem hatte er seine Courage auch im Wettstreit mit der stumpfen Waffe immer wieder unter Beweis gestellt. Viele erwarteten sich deswegen auch heute ein Bravourstück von ihm, insgeheim vielleicht sogar ein blutiges, und dies war der
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