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Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition)

Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition)

Titel: Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition)
Autoren: Maximo Duncker
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nach dem Ableben seiner Gattin in den eigenen vier Wänden gehen. Schwelgte mal in Selbstmitleid, um sich dann wieder stundenlang die Schuld am Tod seiner Frau zu geben. Und auch Benjamin änderte sich fast von einer Woche auf die andere. Er wurde verschlossen und misstrauisch gegen sie, Annalena, und er begann, mit fanatischem Herzen jene zu hassen, die er für den Tod seiner Mutter verantwortlich zu sein glaubte: Karol Dommasch und Felix Jagoda. Die oft genug damit geprahlt hatten, dass es eines Tages einen großen Knall geben würde im Dorf. Die die amerikanischen Highschoolkiller verehrten und Bilder von Charles Manson mit sich herumtrugen. Die sich Waffen besorgen wollten, die Gott hassten und dem Teufel huldigten. Wer, wenn nicht sie, waren in Altwassmuth zu solch einer Tat fähig?
    Anders als ihr Freund glaubte Annalena allerdings nicht, dass Karol und Felix mit den Kirchenbränden etwas zu tun haben könnten. Denn anders als der zugereiste Benjamin kannte sie die beiden ein paar Jahre länger. Sie wusste, dass deren pietätlose Bemerkungen nach Frau Pagels Ableben, dass ihre koketten Anspielungen auf die satanistischen Kirchenbrände der neunziger Jahre in Norwegen einfach nur plumpe Provokationen waren, zu großsprecherisch, zu angeberisch, mit einem Wort: zu pubertär, um wahr oder auch nur wahrscheinlich zu sein.
    Aber um Benjamin nicht zu verlieren, der sich in die fixe Idee ihrer Täterschaft geradezu verbissen hatte, gab sie vor, genauso zu denken wie er.
    Doch was konnten sie beide schon ausrichten gegen Karol, den Bürgermeistersohn, und Felix, den Sprössling vom allgegenwärtigen Jagoda.
    Sie brauchten Verstärkung, kampferprobt, am besten aus der Hauptstadt, aus Berlin. Bei einer Demonstration in der Kreisstadt waren sie ein paar von denen schon mal über den Weg gelaufen. Die sahen gefährlich aus, wenn sie so viele waren wie eine Armee. Die konnten zuschlagen, wenn es sein musste, die warfen nicht mit Wattebäuschen nach ihren Gegnern. Die zündeten keine Räucherstäbchen an wie die linken Gymnasiasten an ihrer Schule, sondern Rauchbomben.
    Aber um diese Leute nach Altwassmuth zu locken, brauchte es einen zwingenden Anlass, einen triftigen Grund.
    »Der Friedhof«, sagte Kai.
    »Ick hab mir schon jedacht, dass ihr dit wart«, warf Bruno ein. »Aber wie kann denn der junge Pagel dit Grab von die eigne Mutter beschmiern?«
    »Um glaubwürdig zu sein?« Annalena klang unsicher. »Damit der Verdacht nicht auf ihn fällt?«
    »Pah! Eine Rieseneselei is dit«, sagte Bruno. »Mensch, ihr versaut euch dit janze Leben mit so ’nem Blödsinn.«
    »Ich weiß«, sagte Annalena kleinlaut. »Es ist auch ziemlich schlimm zu warten, dass die Polizei kommt. Aber irgendwie kommt sie nicht.«
    »Die wird schon noch komm. Aber in diesem speziellen Fall dauert’s vielleicht ’n Weilchen. Oda ooch zwei. Dafür ham der Kolleje hier und icke jesorgt«, sagte Bruno und grinste Kai an. »Wir wern dit schon für euch hindeichseln. Wat solln se denn machen, Mädel? Euch den Kopp abreißen?« Bruno schnaubte: »Aber los: jetzt ma weiter im Text!«
    Es gelang Benjamin und ihr, Annalena, tatsächlich, die Berliner zu ködern. Aber der Aufzug endete in einem Desaster. Sechs der Aktivisten wurden krankenhausreif geprügelt. Angeblich von Unbekannten. Aber die wussten mehr, als sie zugaben, die waren stocksauer und angefüllt mit Hass. Bis zur Halskrause.
    »Kenn wa schon, die Storrie«, sagte Bruno, »spul ma ’n Ticken vor. Zu den Leuten aus’m Bus, die dich mitten inne Nacht besuchen komm.«
    Am Demo-Tag, abends beim Grillen, hatte Annalena eines der wenigen Mädchen kennengelernt, die sich dem Revoluzzertrupp angeschlossen hatten. Sie hatten sich gut unterhalten, über das Leben in der Großstadt, das Studium an der Universität, berufliche Pläne. Ganz normale Gespräche. Am Ende hatten sie die Telefonnummern ausgetauscht. Über diese Nummer hatte sie den Kontakt zu den Leuten hergestellt, die gestern Nacht mit dem Bus gekommen waren. Was nicht ganz einfach gewesen war. Vertrauliche Gespräche musste sie von der letzten öffentlichen Telefonzelle der Kreisstadt führen, E-Mails verschlüsseln. Annalena erzählte den Berlinern genau das, was diese hören wollten. Sie wusste, dass die meisten von ihnen nicht nur Veganer waren, sondern auch militante Tierschützer. Die von Straußenfarmen die Zäune niederrissen oder die Hochsitze von Jägern ansägten. Also malte sie mit aller Kraft ihrer Fantasie die Zustände in der
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