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Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition)

Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition)

Titel: Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition)
Autoren: Maximo Duncker
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Schweinemastanlage in den düstersten Tönen, suggerierte Tierquälerei und Massenmord. Den Besitzer der Anlage schilderte sie als reaktionären Dorfsheriff, der mit seiner paramilitärischen Miliz Altwassmuth in Angst und Schrecken versetzte. Als Rassisten und Menschenschinder und Frauenfeind.
    Sie staunte selber, wie gut die Sache funktionierte. Keiner der Berliner, mit denen sie Kontakt hatte, zweifelte auch nur eine Sekunde am Wahrheitsgehalt ihrer Geschichte. Man sagte ihr, sie solle sich in den frühen Morgenstunden des Sonntags bereithalten, ein Wagen werde kommen und sie abholen. Ihre Aufgabe bestehe lediglich darin, das Team zur Mastanlage zu geleiten.
    Es waren sechs junge Männer in schwarzen Overalls und mit Sturmmasken, denen Annalena den Weg zu den Ställen der Schweinemast Jagoda GmbH wies. Für die Männer war es ein Kinderspiel, auf das Gelände zu gelangen. Mit einem Brecheisen knackten sie das schwache Vorhängeschloss, mit den Bolzenschneidern, die sie dabeihatten, schnitten sie meterlange Breschen in die Umzäunung aus Maschendraht.
    Dann drangen sie in die Ställe ein. Erst jetzt bekam Annalena, die alleine am Wagen wartete, Angst. Sie hatte etwas losgetreten, das sie nicht beherrschen konnte. Sie hoffte, dass sich die Gruppe zurückhalten würde. Dass sie darauf verzichten möge, den größtmöglichen Schaden anzurichten. Dass die Zerstörungen nur Symbolcharakter hätten. Doch danach sah es zu keinem Zeitpunkt dieser Kommandoaktion je aus.
    Als die ersten Schweine in Panik quiekend nach draußen stürzten, wusste sie, dass sie mit dem Schlimmsten zu rechnen hatte. Die Männer machten Fotos. Annalena konnte das Blitzlicht in den Oberlichtern der Ställe erkennen. Dann hörte sie den Knall eines Böllers. Immer mehr Schweine strömten aus der Anlage, stoben jetzt wild schreiend auseinander, flohen durch den beschädigten Zaun ins Freie. Ein nächster Knall ertönte, und mit den Schweinen kamen jetzt auch ihre Befreier aus den Ställen gerannt, voll von Adrenalin. Sie schrien in Ekstase. Sie holten Sprühdosen aus dem Fahrzeug und sprühten ihre Botschaften auf Schilder und Wände. Sie schrieben »Mörder!« und »Gegen Speziesismus!«und »Animal Liberation Front«. Dann fotografierten sie wieder. Sie stellten sich in Pose vor ihren Botschaften auf.
    Und überall waren diese Schweine. Und überall war das Geräusch dieser Schweine in Todesangst.
    Das waren doch keine Tierschützer, dachte Annalena, das waren maximal Hooligans, die vegane T-Shirt-Botschaften unter ihren Einsatzoveralls trugen.
    Als sie wieder abfuhren, ohne Licht, im Schritttempo und fast lautlos, sah sich Annalena noch einmal um: Im Oberlicht flatterten jetzt die züngelnden Flämmchen eines beginnenden Feuersturms.

 
    »Aber warum nur …
    … dieser Hass auf Winfried Jagoda? Natürlich ist der ein Arschloch und ein Drecksack. Und ein elender Sadist, den man anzeigen müsste. Aber gleich so?«, fragte Kai van Harm, nachdem Annalena aufgehört hatte zu erzählen und sie alle drei für ein paar Augenblicke versonnen in ihre Apfelsaftgläser geschaut hatten.
    »Stümmt«, sagte Bruno, »dit is zwar eine Arschgeige vor dem Herrn, aber du hast doch eijentlich nüscht mit dem zu schaffen.«
    »Ich nicht«, sagte Annalena und sah Bruno dabei fest in die Augen, »aber meine Mutter. Und wenn es meiner Mutter schlecht geht, dann geht es mir auch nicht gut. Dann gibt es Streit und Zank. Und meiner Mutter geht es schlecht, weil es Winfried Jagoda gibt.«
    »Aber was macht er denn mit deiner Mutter?«, fragte Kai. »Von der der Bürgermeister nebenbei gesagt in den höchsten Tönen schwärmt«, fügte er an und registrierte ein flüchtiges Lächeln auf Annalenas Gesicht.
    »Es war Mitte der neunziger Jahre«, begann Annalena. »Herr Zabel wird sich bestimmt auch noch an das eine oder andere erinnern können.«
    Damals war es schlecht um Altwassmuth bestellt. Die Ställe der LPG waren schon dichtgemacht worden, Harald Dommasch, der auf dem Papier noch immer ihr Vorsitzender war, beschäftigte nur noch eine Handvoll Frauen, die hin und wieder nach dem Rechten sahen und einmal wöchentlich durch die genossenschaftlichen Anlagen fegten.
    Im Grunde wartete die ganze Gemeinde auf ihre Abwicklung. Auf den großen Knall, mit dem alles auseinanderflog. Die jungen Leute gingen fort, und selbst die mittlere Generation zog weg, weil sie für ihre Kinder hier keine Chancen sah.
    In seiner Not setzte sich der Vorsitzende Dommasch mit seiner ehemaligen
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