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Wer hat das Rind zur Sau gemacht?

Wer hat das Rind zur Sau gemacht?

Titel: Wer hat das Rind zur Sau gemacht?
Autoren: Udo Pollmer , Andrea Fock , Monika Niehaus , Jutta Muth
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neurotoxische Symptome, die glücklicherweise meist reversibel waren, also nach der Versetzung an einen anderen Arbeitsplatz wieder verschwanden.
    Im Tierversuch führt die Zufuhr erhöhter Mengen gewöhnlich zu Gewichtsverlust, der Toxikologen stets als Warnsignal gilt. Auf die naheliegende Schlagzeile «Schlank durch Pommes» haben die Medien dann aber doch verzichtet. Lieber verwiesen sie darauf, dass Acrylamid im Tierversuch auch Krebs auslösen kann. Das stimmt zwar, aber wohlweislich wurde verschwiegen, dass die erforderliche Dosis um Zehnerpotenzen höher liegt als die Acrylamidmengen, die man mit dem Essen zu sich nimmt. 10,15,57
    Es stimmt natürlich auch, dass für echte Kanzerogene kein unbedenklicher Schwellenwert existiert. Andererseits werden vier von zehn getesteten Stoffen in irgendeinem Testsystem immer als kanzerogen eingestuft, weil
In-vitro
-Tests nun mal sehr ungenau sind. Dabei ist es sogar egal, ob man Chemikalien testet oder Naturstoffe, wie sie in Äpfeln und Karotten vorkommen. Selbst Tierversuche sind weniger eindeutig, als man meinen sollte: Der amerikanische Krebsforscher Bruce Ames, Erfinder des weltweit angewandten Ames-Tests zur Mutagenitätsprüfung, kam zu dem Ergebnis, dass von 392 an Nagern geprüften Substanzen jeweils 96 entweder nur bei der Maus oder nur bei der Ratte kanzerogen wirkten. Allein bei Nagern fand Ames Empfindlichkeitsunterschiede, die bis zu einem Faktor von 10 7 reichten, das heißt, eine Art reagiert zehn Millionen Mal empfindlicher als andere. 1 Mit ein paar simplen Tests und Tierversuchen lässt sich daher nicht nur jedes Rösti, sondern auch jedes Radieschen dämonisieren, wenn man nur den richtigen Stoff herausgreift und am passenden Versuchstier testet.
    Wie krebserregend ist Acrylamid in Lebensmitteln für den Menschen? Heute braucht niemand mehr auf Tierversuche zurückzugreifen, da hier inzwischen zahlreiche epidemiologische Studien vorliegen. Die allererste, eine schwedische Fall-Kontroll-Studie, erschien bereits im Januar 2003 und kam anhand von 1000 Krebsfällen zu einem überraschenden Ergebnis: Menschen, die zeit ihres Lebens reichlich Acrylamidhaltiges verzehrt hatten, erkrankten
seltener
an Darmkrebs als diejenigen, die sich solche Genüsse lieber versagt hatten. Das Resultat war signifikant, die Krebsrate sank durch acrylamidhaltige Speisen um satte 40 Prozent. Auf andere Krebsarten des Verdauungstraktes hatte der Stoff keinen Einfluss. 37
    Kurz darauf folgte eine Studie mit 10000 Probanden. Diesmal wurden gezielt erhitzte Kartoffelprodukte wie Chips, Bratkartoffeln, Rösti und Pommes getestet. Doch wie man die Statistiken auch drehte und wendete: Die Krebsrate blieb unverändert. 42 Im Mai 2004 wurde die Bedeutungslosigkeit von Acrylamid für Nierenkrebs erneut bestätigt. 38 Eine weitere Studie aus dem Jahr 2005 fand zudem auch keinen Zusammenhang mit Brustkrebs. 36 Nummer fünf befasste sich wieder mit Darmkrebs, diesmal prospektiv und mit 60000 Frauen. Ergebnis: wieder kein negativer Einfluss. 39 Und so ging es Jahr für Jahr weiter. 29,30,21,22 Zwischenzeitlich musste auch die Hauspostille des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit eingestehen: «Die bislang vorliegenden epidemiologischen Studien zur Aufnahme von Acrylamid mit der Nahrung und dem Krebsrisiko fanden bei den Personen mit höherem Verzehr keine signifikant erhöhten Risiken für die untersuchten Krebsarten.» 59
    Und im
Deutschen Ärzteblatt
berichteten 2005 Ärzte und Biometriker der Medizinischen Hochschule Hannover von umfangreichen Messungen, um den Einfluss der Ernährung auf den Acrylamidgehalt des Blutes zu ergründen. Nüchternes Fazit: «Ein Zusammenhang zwischen der Acrylamidbelastung und dem Ernährungsverhalten konnte nicht festgestellt werden.» Die Autoren werfen stattdessen die höchst peinliche Frage auf, ob das Acrylamid nicht vielleicht vom Körper selbst gebildet wird. Dies sei schließlich auch von anderen vergleichbaren Stoffen bekannt, und die körpereigene Produktion von Acrylamid wurde jüngst auch bei Mäusen bestätigt. 3,56 Merke: Acrylamid ist überall.

Mit der Fritteuse dem Krebs vorbeugen?
    Warum aber ist ein Stoff, der für Ratten krebserregend ist, für Menschen auf einmal harmlos? Weil im menschlichen Körper praktisch keine Umwandlung in Glycidamid stattfindet, also in jenen Metaboliten, der im Tierversuch für die Kanzerogenität verantwortlich ist. Glycidamid reagiert bis zu tausendmal bereitwilliger mit der DNA
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