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Wer hat das Rind zur Sau gemacht?

Wer hat das Rind zur Sau gemacht?

Titel: Wer hat das Rind zur Sau gemacht?
Autoren: Udo Pollmer , Andrea Fock , Monika Niehaus , Jutta Muth
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Vanillekipferln und braunen Lebkuchen steckt weitaus mehr Acrylamid als in Chips. Da drehte das Verbraucherministerium in Anbetracht des Lebkuchenstandorts Deutschland kurz entschlossen eine 180-Grad-Pirouette und mühte sich redlich, bei den verunsicherten Bürgern alle Befürchtungen zu zerstreuen, an deren Entstehen es zuvor tatkräftig mitgewirkt hatte: Es gab «Entwarnung».
    Spätestens jetzt musste aufmerksamen Verbrauchern klarwerden, dass die ganze Aufregung ums Acrylamid so künstlich war wie dritte Zähne und so glaubwürdig wie Politikersprüche à la «Die Rente ist sicher!». Mittlerweile war die Fahndung nach dem «Pommesgift» in den Labors aber schon in vollem Gange, und so entdeckten die Analytiker den Stoff in immer mehr Lebensmitteln. 9,53 Nach dem Gebäck traf es die Frühstückscerealien, dann folgten Schokolade, Kaffee und Pflaumensaft. 59 Dass auch Oliven reichlich Acrylamid enthalten, beunruhigte jedoch weder Italiener noch Griechen oder Spanier, und genauso gelassen reagierten die Japaner, als heimische Forscher vom «Bundesinstitut für Gemüse- und Teewissenschaften» «beachtliche Gehalte» in ihrem Nationalgetränk fanden, dem grünen Tee. 33
    Die deutschen Aufklärer unterdessen ließen sich von solchen Fakten nicht beeindrucken und hackten unbeirrt weiter auf Chips und Fritten herum. Sie hätten Grund genug gehabt, ihren Blick ein wenig weiter schweifen zu lassen, denn die höchsten Acrylamidgehalte überhaupt wurden in einem typisch deutschen Produkt ermittelt: im Kaffee-Ersatz. 4 Wer andere Menschen verunsichern will, um Macht über sie auszuüben oder Spenden zu schnorren, braucht aber ein politisch korrektes, heiles Weltbild als ideologische Tapete. Deshalb warnte die Gesundkost- und Surrogatefraktion eben nicht vor Muckefuck, sondern unverdrossen vor Chipstüten und Pommesbuden.
    Dabei wird Getreidekaffee täglich von einem «besonders empfindlichen» Personenkreis konsumiert, nämlich von Kindern. Nichts wäre einfacher, als ihren Müttern einen ordentlichen Mokka zu empfehlen und ihrem Nachwuchs heiße Schokolade. Kaffee enthält zwar auch Acrylamid, aber weit weniger. Den Röststoffwarnern war dies ebenso gleichgültig wie die Tatsache, dass sich selbst bei Kindern, die keinen Muckefuck trinken, nicht etwa Pommes, sondern vor allem Brot, Backwaren und Kekse als wichtigste Acrylamidquelle erwiesen haben – insbesondere in der «gesunden» Vollkornvariante. 2
    Wasserschäden
    Das Erfinden von tödlichen Risiken gehört zum Verbraucherschutz wie der schwarze Anzug zum Bestatter: Acrylamid ist «100-mal gefährlicher als das Schimmelgift Aflatoxin und 1000-mal schlimmer als Benzo(a)pyren» sowie «für Tausende von Krebstoten verantwortlich», schrieb die Ökopresse. 23 Damit der Leser nicht schon übermorgen die Kartoffeln von unten begucken muss, bekam er einige praktische Tipps mit auf den Weg: «Beim Braten und Frittieren runter mit den Temperaturen.» Wer keine bleichen Pfannengerichte mag, solle einfach «eine Messerspitze Margarine hinzugeben», denn «durch den Wasseranteil wird die Temperatur gesenkt». Da bieten sich auch ein paar Eiswürfel fürs Backblech oder die Denkerstirn an.
    Und das Acrylamid im Knäckebrot? Sollen wir das etwa mit einem Flöckchen Halbfettbutter bestreichen – wegen des höheren Wassergehaltes? Nicht nötig, hier wird anders entgiftet, nämlich durch «wertvolle Antioxidantien», die in der Brotkruste enthalten sind. Woher soll der geneigte Leser auch wissen, dass diese bei sämtlichen Bräunungsreaktionen entstehen? Statt Vollkornbrötchen könnte er also genauso gut eine Tüte Chips futtern, sofern der Hersteller die Temperatur seiner Fritteuse nicht auf Druck der Verbraucherzentralen oder von Foodwatch gesenkt hat.
    Angesichts des Ratschlags «Kochen in Wasser ist gefahrlos» empfehlen wir, politisch korrekte Ratgeber in sprudelndes Wasser zu geben, sparsam zu salzen und kurz garziehen zu lassen. Und ja nicht die Messerspitze Margarine vergessen!

Der Test macht das Gift
    Wie giftig ist dieser Stoff wirklich, der bis dato eigentlich nur aus der Kunststoffindustrie zur Herstellung von Polyacryl bekannt war? Experimente an Labornagern bescheinigen Acrylamid ein erbgutveränderndes bis krebsförderndes Potenzial. Deshalb wurde die Substanz von Toxikologen durchaus kritisch gesehen. Dafür sprachen zudem die Erfahrungen aus der Kunststoffverarbeitung: Einige Arbeiter, die in chemischen Fabriken mit Acrylamid hantierten, entwickelten vor allem
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