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Wer braucht schon Liebe

Wer braucht schon Liebe

Titel: Wer braucht schon Liebe
Autoren: Denise Deegan
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Mein Handy klingelt wieder.
    » Geh lieber ran«, sagt er.
    Seufzend melde ich mich.
    » Ich glaub’s einfach nicht, dass du in San Diego bist!«, sagt Sarah. » Hast du David schon getroffen?«
    » Nein, Sarah. Und Dad geht es übrigens gut.«
    » Oh, das weiß ich. Ich hab es im Fernsehen auf Sky gesehen.« Sie fängt an, mich mit Fragen zu bombardieren, von denen ich weiß, dass sie morgen als große Neuigkeit die Runde in der Schule machen werden.
    » Sarah, hör mal, ich muss los, okay? Ich bin im Krankenhaus und eigentlich dürfte ich mein Handy gar nicht eingeschaltet haben. Ich ruf dich an, wenn wir hier rauskommen.«
    » Wann ist das?«
    » Ungefähr in einer Woche.«
    » Oh, also gut, okay.«
    » Danke für deinen Anruf.« Ich lege auf. Sehe Dad an. Er hat einen Anruf von Ed bekommen.
    Mein Telefon piept. Ich seufze. Und am liebsten hätte ich es aus dem Fenster geschmissen. Aber ich werfe einen Blick auf die SMS , denn so viele Leute waren irrsinnig nett.
    Ich kann es nicht glauben. Die SMS ist von David! » Geht es dir gut?«
    Es sind nur vier Worte, aber mehr braucht es nicht. Mein Herz beginnt zu rasen. Ohne nachzudenken, stehe ich auf, und zum ersten Mal, seit Dad eingeliefert wurde, verlasse ich den Raum, gehe an den Sicherheitsbeamten vorbei und laufe den Gang hinunter. Überall hängen Schilder, dass Handys verboten sind. Ich kann das Stockwerk nicht verlassen – nicht bei den vielen Paparazzi in der Nähe. Also verkrieche ich mich in der Besuchertoilette. Ich wähle seine Nummer. Sein Telefon klingelt und klingelt. Er hat mir gerade eine SMS geschickt, also muss er sein Handy dabeihaben. Will er doch nicht mit mir reden? Gerade frage ich mich, ob ich auflegen soll, da geht er ran.
    » Ich bin’s«, sage ich.
    » Ich weiß. Geht es dir gut?«
    » Ja klar, alles prima. Und dir?«
    » Du bist also in San Diego?« Seine Stimme klingt teilnahmslos.
    » Äh. Ja.«
    Stille.
    » Ich wollte dich anrufen«, sage ich.
    » Nein, wolltest du nicht«, sagt er ohne jede Gefühlsregung.
    Und weil er recht hat, fühle ich mich schuldig. » Willst du dich mit mir auf einen Kaffee treffen?«
    Langes Schweigen. Dann: » Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee wäre.«
    » Oh …«
    » Hör mal, ich muss los«, sagt er. » Es freut mich, dass es dir gut geht.« Er legt auf.
    Ich stehe da, starre auf mein Handy, kann nicht fassen, was gerade passiert ist, kann nicht fassen, was ich getan habe. Ich habe ihn so tief verletzt, dass er so geworden ist wie ich.
    Eine Woche später, nachdem Dad entlassen wurde, fährt Mike mich zu Davids Schule. Wenn man seine Zeit an einem Krankenbett verbringt, fängt man an nachzudenken. Und ich habe in den letzten Tagen darüber nachgedacht, dass ich San Diego nicht verlassen will, ohne dass ich mich richtig bei ihm entschuldigt habe, ohne dass ich es ihm von Angesicht zu Angesicht erklärt habe.
    » Braves Mädchen«, hat Dad gesagt, als ich es ihm erzählte. Wenn ich mich recht erinnere, hat er das das letztes Mal zu mir gesagt, als ich acht Jahre alt war und von einem Klettergerüst runterhing. Wahrscheinlich sehe ich jetzt genauso lächerlich aus.
    Ich sitze auf einer niedrigen Mauer, umgeben von Stille. Nichts bewegt sich, abgesehen von einer riesigen US -amerikanischen Flagge, die in der Brise zuckt. Ich bin seit (exakt) zweiundzwanzig Minuten hier, da verlässt mich der Mut. Er wird mich nicht hierhaben wollen. Das hat er mir deutlich zu verstehen gegeben. Was habe ich mir nur dabei gedacht? Er hat jetzt ein neues Leben. Hat mich hinter sich gelassen. Ich habe mich in dem Brief entschuldigt. Er hat ihn gelesen. Es hat nichts geändert. Ich sollte gehen. In diesem Moment werden die Türen aufgestoßen und schwatzende, lachende Schüler strömen heraus. Ein Junge schubst einen anderen. Genau wie zu Hause. Ich stehe auf, will gerade gehen. Und dann sehe ich ihn, er kommt mit zwei anderen heraus, einem Jungen und einem Mädchen. Er hört dem Mädchen zu, schiebt die Tasche auf seine Schulter hoch, wie er es immer getan hat. Und wenn ich vorher noch irgendwelche Zweifel gehabt hätte, dann wüsste ich es jetzt mit Sicherheit – ich liebe ihn immer noch. Er lacht. Und ich kann es sehen. Wie gut er hierherpasst. Ich muss gehen. Aber jetzt kommen sie auf mich zu. Wenn ich mich bewege, wird er mich sehen. Wenn ich es nicht tue, geht er vielleicht vorbei. Ich setze mich hin, damit ich weniger auffalle. Ich will den Blick abwenden, aber ich kann nicht. Das ist das letzte Mal, dass ich
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