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Wer braucht schon Liebe

Wer braucht schon Liebe

Titel: Wer braucht schon Liebe
Autoren: Denise Deegan
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Ich gehe auf sie los, schreie, stoße sie mit beiden Händen zurück, beschimpfe sie als Pyscho-Freak. Aber Dad sackt auf die Knie, der rote Fleck auf seinem T-Shirt wird immer größer, wie ein aufblühende Blume. Ich renne zu ihm.
    Er atmet schnell, aber anders als vorher, so als würde er keine Luft kriegen. Seine Augen sind weit aufgerissen und voller Angst.
    » Oh Gott«, sage ich, weil ich von seinem Rücken her ein Geräusch höre – das Geräusch von entweichender Luft –, und ich weiß, dass das kein gutes Zeichen ist. Jetzt liegt er im Sand, als hätte man ihm jegliche Energie ausgesaugt. Ich will die Blutung stoppen, weiß aber nicht, wie. Ich rufe um Hilfe. Schreie.
    Zwei Sicherheitsbeamte rennen auf uns zu.
    » Schnell, bitte, schnell.« Und ich denke, du darfst nicht sterben. Bitte, du darfst nicht sterben.
    Als die Leibwächter ihn sehen, knien sie sich neben ihn. Einer von ihnen greift nach dem sauberen weißen T-Shirt, das Dad vorher auf dem Handtuch hat liegen lassen. Er schüttelt es aus, faltet es hastig zusammen, legt es auf die Wunde und presst. In Sekundenschnelle wird es rot. Der andere Leibwächter ruft über Handy Hilfe. Er klingt so panisch, wie ich mich fühle. Ich fange an zu beten. Ich hätte nie gedacht, dass ich das je wieder tun würde. Aber ich schließe die Augen, und meine Lippen bewegen sich.
    Es kommt mir vor wie eine Ewigkeit, bis ich die Sanitäter entdecke. Sie wirbeln den Sand auf, während sie auf uns zurennen. Vier Männer scharen sich um meinen Vater. Ich trete zurück. Und da steht sie. Sie ist immer noch hier. Bewegt sich nicht, starrt nur herüber, als würde sie einen schlechten Film sehen. Und genauso fühlt es sich an. Wie ein schlechter Film, in den ich hineingeraten bin.
    Das ist es, denke ich, das ist das Ende. Mit einer durchgeknallten Psychopathin am Strand.

35 Ganz normal
    Ich will Simon Kelleher anrufen. Ich will ihm sagen: » Unterschätze die Frauen nicht.«
    Sie hat Dads Lunge getroffen. Sie hätte ihn umbringen können. Er hat eine Bluttransfusion bekommen. Aus seiner Brust ragt ein Schlauch, über den Blut und Luft abfließen. Er steht unter Schmerzmitteln. Aber er kommt wieder in Ordnung. Sie behalten ihn für eine Woche da. Mike kommt von Dublin herüber. Er wird eine Bleibe für uns finden, bis wir heimkönnen. Dad darf mehrere Wochen lang nicht fliegen. Und wir können nicht zurück ins Strandhaus. Wegen der Paparazzi überall. Ich weiß nicht, wie die Sache herausgekommen ist. Wahrscheinlich ist das immer so. Vor dem Zimmer stehen Sicherheitsbeamte. Drinnen treiben die Krankenschwestern einen großen Aufwand mit ihm. Anrufe aus der ganzen Welt gehen ein. Sogar aus Uganda. Ed schickt Blumen. Die Stylistin ruft an. Es macht mir nichts aus.
    Ich weiche nicht von seinem Bett.
    » Es ist meine Schuld. Wenn wir nicht hierhergekommen wären, dann wäre das nicht passiert.«
    » Nein. Wenn ich einen normalen Job hätte, dann wäre das nicht passiert. Als ich sie am Strand entdeckt habe, konnte ich es nicht fassen, dass ich dich in so große Gefahr gebracht habe.«
    » Ich war nicht in Gefahr. Falls du dich erinnerst, warst du derjenige, den sie mit dem Messer angefallen hat.«
    » Sie hätte dir wehtun können, Alex.«
    » Ich hätte es mit ihr aufgenommen«, sage ich, als wäre ich eine Weltklasse-Boxerin. » Sie hat dich in den Rücken gestochen, Dad. Und überhaupt ist sie jetzt in Untersuchungshaft, also lass die Entschuldigungen sein. Du wärst kein richtiger Rockstar ohne Stalker.«
    » Und deswegen höre ich auf.« Als er mein Gesicht sieht, hebt er die Hand. » Da draußen wird es immer Leute geben, die glauben, sie würden dich kennen, die glauben, sie hätten eine besondere ›Verbindung‹ zu dir.«
    » In den fünfundzwanzig Jahren, die du in der Band bist, ist das genau ein Mal passiert.«
    » Ich hätte sie ernster nehmen sollen.«
    » Du hast ein Kontaktverbot erwirkt.«
    » War das Papier nicht wert, auf dem es stand. Also höre ich auf.«
    » Nein. Du kannst nicht zulassen, dass solche Leute dich daran hindern, das zu tun, was du willst.«
    Er sieht mich an. » Hier geht es nicht nur um mich.«
    » Komm schon, Dad. Ich habe Mike. Wir leben an einem der sichersten Orte der Welt. Es ist nur ein einziges Mal vorgekommen. Und es ist vorbei.« Mein Handy klingelt. Ich würge es ab. » Du muss dich nicht jetzt entscheiden. Es ist noch zu früh. Lass dir ein paar Wochen Zeit.« Bis dahin wird er es überstanden haben und seine Musik vermissen.
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