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Atlantis

Titel: Atlantis
Autoren: Stephen King
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Kapitel eins
    Ein Junge und seine Mutter
Bobbys Geburtstag
Der neue Mieter
Von der Zeit und Fremdlingen
     
     
    Bobby Garfields Vater hatte zu denen gehört, die schon mit zwanzig bis dreißig Jahren die Haare zu verlieren beginnen und so circa mit fünfundvierzig völlig kahl sind. Randall Garfield blieb dieses Endstadium erspart, weil er mit sechsunddreißig an einem Herzinfarkt starb. Er war Immobilienmakler und tat seinen letzten Atemzug auf dem Küchenboden irgendeines fremden Hauses. Der potenzielle Käufer war im Wohnzimmer und versuchte, über ein abgemeldetes Telefon einen Krankenwagen zu rufen, als Bobbys Dad sein Leben aushauchte. Zu diesem Zeitpunkt war Bobby drei Jahre alt. Er hatte verschwommene Erinnerungen an einen Mann, der ihn kitzelte und ihn dann auf Wangen und Stirn küsste. Er war sich ziemlich sicher, dass dieser Mann sein Vater gewesen war. SCHMERZLICH VERMISST stand auf Randall Garfields Grabstein, aber der Schmerz von Bobbys Mutter schien sich in Grenzen zu halten, und was Bobby selbst betraf … nun, wie konnte man jemand vermissen, an den man sich kaum erinnerte?
    Acht Jahre nach dem Tod seines Vaters verliebte sich Bobby heftig in das sechsundzwanzigzöllige Schwinn im
Schaufenster von Harwich Western Auto. Er machte seiner Mutter gegenüber auf jede erdenkliche Weise Andeutungen hinsichtlich des Schwinn und zeigte es ihr schließlich eines Abends auf dem Heimweg vom Kino (sie hatten sich Das Dunkel am Ende der Treppe angesehen, einen Film, den Bobby zwar nicht verstanden, aber trotzdem gut gefunden hatte, besonders den Teil, wo Dorothy McGuire sich auf ihrem Stuhl nach hinten fallen ließ und ihre langen Beine zeigte). Als sie an dem Eisenwarenladen vorbeikamen, erwähnte Bobby beiläufig, dass das Fahrrad im Schaufenster bestimmt ein tolles Geschenk zum elften Geburtstag wäre - für irgendeinen glücklichen Jungen.
    »Denk nicht mal dran«, sagte sie. »Ich kann’s mir nicht leisten, dir ein Fahrrad zum Geburtstag zu schenken. Dein Vater hat uns nicht gerade ein Vermögen hinterlassen, weißt du.«
    Obwohl Randall schon zur Zeit von Trumans Präsidentschaft gestorben war und Eisenhowers achtjähriger Törn sich auch bereits seinem Ende näherte, war Dein Vater hat uns nicht gerade ein Vermögen hinterlassen immer noch die häufigste Antwort seiner Mutter auf jeden Vorschlag von Bobby, der mit der Ausgabe von mehr als einem Dollar verbunden sein könnte. Normalerweise wurde die Bemerkung von einem tadelnden Blick begleitet, als wäre der Mann weggelaufen und nicht gestorben.
    Kein Fahrrad zum Geburtstag. Bobby dachte auf dem Heimweg betrübt darüber nach. Seine Freude über den seltsamen, verworrenen Film, den sie gesehen hatten, war weitgehend verflogen. Er diskutierte nicht mit seiner Mutter und versuchte auch nicht, sie zu beschwatzen - das würde einen Gegenangriff auslösen, und wenn Liz Garfield zum
Gegenangriff überging, dann machte sie keine Gefangenen -, aber er grübelte über dieses verlorene Fahrrad nach … und über den verlorenen Vater. Manchmal hasste er seinen Vater beinahe. Und das Einzige, was ihn davon abhielt, war das an nichts festzumachende, aber sehr starke Gefühl, dass seine Mutter sich wünschte, er täte es. Als sie den Commonwealth Park erreichten und daran entlanggingen - zwei Blocks weiter vorn würden sie links auf die Broad Street abbiegen, wo sie wohnten -, warf er seine üblichen Bedenken über Bord und stellte eine Frage nach Randall Garfield.
    »Hat er nichts hinterlassen, Mama? Überhaupt nichts?« Eine oder zwei Wochen zuvor hatte er einen Nancy-Drew-Krimi gelesen, in dem das Erbe eines armen Kindes hinter einer alten Uhr in einem verlassenen Herrenhaus versteckt gewesen war. Bobby glaubte eigentlich nicht, dass sein Vater irgendwo Goldmünzen oder seltene Briefmarken gehortet hatte, aber wenn es überhaupt etwas gab, dann konnten sie es vielleicht in Bridgeport verkaufen. Möglicherweise in einem der Pfandhäuser. Bobby wusste nicht genau, wie das mit dem Verpfänden so ablief, aber er wusste, wie die Pfandhäuser aussahen - an der Fassade hingen drei goldene Kugeln. Und er war sich sicher, dass die Leute im Pfandhaus ihnen gern helfen würden. Natürlich war das nur ein Kindertraum, aber Carol Gerber ein Stück weiter oben in der Straße besaß einen ganzen Satz Puppen, den ihr Vater, der bei der Navy war, ihr aus Übersee geschickt hatte. Wenn Väter einem was schenkten - was sie taten -, stand zu erwarten, dass Väter manchmal auch was
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