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Wer aaahh sagt...

Wer aaahh sagt...

Titel: Wer aaahh sagt...
Autoren: Richard Gordon
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Kollegen von der Praxis.«
    »Dann muß ihn deine Sekretärin gelesen haben«, entgegnete er schroff.
    Ich war gekränkt. »Eher würde Mrs. Jenkins bei der nächsten Versammlung der Ärztegesellschaft auf dem Podium einen Striptease tanzen als vertrauliche Mitteilungen über meine Patienten an die Zeitung weitergeben.«
    »Oh, man kann heutzutage niemandem trauen«, erklärte er mir wie Cäsars Geist, der zu Brutus spricht.
    Ich entgegnete heftig: »Und wie steht’s mit deiner Mrs. Proudfoot?«
    »Ich habe sie gerade angerufen. Sie sieht im Krankenhaus nach, ob der Durchschlag des Briefes sicher in der Aktenablage der psychiatrischen Abteilung liegt.«
    »Am besten ich komme gleich zu dir.«
    »Ja, das glaube ich auch«, stimmte er gereizt zu.
    Ich legte den Hörer auf. Ich war ärgerlich, weil Walter mich verdächtigte, den Brief weitergegeben zu haben. Dazu kam der unbehagliche Verdacht, daß er vielleicht sogar recht hatte.
    Walter Elmsworthy wohnte in einem Haus mit Giebeldach und hübschem Garten, ungefähr zwei Kilometer vom Allgemeinen Krankenhaus entfernt, Richtung London. Er erwartete mich in dem sonnendurchfluteten Wohnzimmer und trug Jeans und ein knallrotes Poloshirt. Ihm gegenüber stand Lynda Proudfoot wie ein Häufchen Elend.
    »Er ist verschwunden«, sagte Walter unheilverkündend.
    Geschickt verwandelte ich mein erleichtertes Aufatmen in ein Niesen.
    »Ich war es nicht, Doktor, wirklich nicht. Ich kann es einfach nicht verstehen«, meinte sie hartnäckig, den Tränen nahe. Sie war eine hübsche, braunhaarige Frau, mit einem Assistenzarzt vom Allgemeinen Krankenhaus verheiratet. »Ich habe meine Arbeit getan wie immer, so wie all die Jahre, die ich schon für Sie arbeite. Wenn wir auf der Privatstation fertig sind, nehme ich alle getippten Briefe mit zurück in unsere Abteilung und schließe die Durchschläge in den Aktenschrank. Ich bin sicher, daß ich das auch letzten Donnerstag getan habe. Sehen Sie, hier ist der Schlüssel, sicher in meinem Portemonnaie verstaut, zusammen mit meinem Organspenderausweis.«
    Ich bemerkte zu Walter: »Vielleicht hat jemand das Schloß mit einem Dietrich geöffnet?«
    »Wer?«
    »Einer von Jim Whynns politischen Gegnern.«
    »Oh, Watergate in Churchford«, sagte er sarkastisch.
    »Vielleicht war es Erpressung, und das Opfer weigerte sich tapfer zu zahlen.«
    »Meiner Erfahrung nach tut es das aus Angst immer.«
    »Ich möchte kündigen«, sagte Lynda schnell.
    »Davon will ich nichts hören«, murmelte Walter.
    »Ich muß. Ich bin dafür verantwortlich.«
    »Oh, nein, nein, nein!«
    »Ich bestehe darauf.«
    »Nun gut, wie Sie meinen.«
    Sie schnappte nach Luft und starrte ihn an. Sie biß sich auf die Handknöchel. Sie floh aus dem Zimmer, rannte aus dem Haus zu ihrem Auto, knallte dabei sämtliche drei Türen zu.
    Es war eine scheußliche Situation. Ich brauchte drin-gend einen Whisky, und dabei hatte ich noch nicht einmal gefrühstückt.
    Walter ging mit gerunzelter Stirn zum Telefon.
    »Ich rufe die Polizei an.«
    »Wozu? Das Unglück ist nun einmal geschehen. Warum noch mehr Staub aufwirbeln? Haben wir die arme Lynda für einen Tag nicht schon genug aus der Fassung gebracht?«
    Er blickte mit Abscheu auf die Zeitung. »Dann ruf ich den Herausgeber an.«
    »Du wirst niemanden erreichen«, erklärte ich ihm. »Er würde dir nur ins Gesicht lachen. Die schützen ihre Informanten genauso wie wir unsere Berufsgeheimnisse. Das ist die Pressefreiheit. Obwohl ich persönlich nichts gegen die alte Sitte hätte, die Journalisten von Zeit zu Zeit an den Pranger zu stellen.«
    »Wir müssen etwas tun«, erklärte er ungeduldig.
    »Warum? Gekonntes Nichteingreifen ist oftmals die weiseste Methode - in der Chirurgie wie im Leben.«
    Walter zuckte die Achseln.
    »Es muß jemand vom Personal gewesen sein. Wer sonst weiß um Lyndas tägliche Arbeit Bescheid? Eine von den Putzfrauen«, entschied er. »Der Gesundheitsdienst stellt Leute ein, mit denen ich lieber nicht unter einem Dach wohnen möchte. Es ist ein Skandal, daß meine Abteilung nicht mit modernen Schreib- und Kopiergeräten ausgestattet wird. Außerdem müßte dringend ein Computer her, und ich könnte leicht noch ein halbes Dutzend Röntgengeräte gebrauchen. Diese Kürzungen!« murmelte er angewidert.
    Ich rief aus: »Der entwendete Brief! Hast du die Geschichte gelesen? Ich hätte nie gedacht, daß ich einmal einen Edgar Allen Poe in der Wirklichkeit erleben würde.«
    Er schüttelte gereizt den Kopf. Er schien
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