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Wer aaahh sagt...

Wer aaahh sagt...

Titel: Wer aaahh sagt...
Autoren: Richard Gordon
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aus den Radios dröhnt, die die Leute wie Koffer mit sich herumschleppen. Ich saß an einem Tisch mit einer schmutzigen rosafarbenen Decke drauf und einer Vase mit einer Narzisse drin. Ich bestellte einen Scotch. Ein Mädchen setzte sich zu mir. Ich sagte: >Ich lad dich auf einen Drink ein.< Sie antwortete, sie trinke nur Champagner. Eine Flasche kostete ein Vermögen, aber das war mir egal. Nach der Parlamentssitzung war das so eine angenehme Abwechslung. Das Mädchen fragte, ob ich mit zu ihr nach Hause kommen wollte. Ich sagte ja.«
    »War sie nett?«
    »Nicht schlecht.«
    Ich deutete mit dem Kopf in Richtung Tür. »Weiß Charlotte davon?«
    »Natürlich.«
    »Und?«
    Er zuckte die Schultern. »Es war ein Unfall, wie er vereinsamten Abgeordneten nun mal passieren kann. Wäre ich ein Jockey, hätte ich mir ein, zwei Knochen gebrochen.«
    Ich fragte taktvoll: »Machst du dir Sorgen, weil du von dem Mädchen vielleicht ein bißchen mehr bekommen hast als ein paar nette Stunden?«
    Er zuckte die Achseln. »Eigentlich nicht«, sagte er und schenkte sich aus einer Karaffe Sherry ein. »Ich mache mir um mich selbst Sorgen. Soll ich vielleicht einen Psychiater auf suchen?«
    »Genauso, als würdest du die Feuerwehr rufen, wenn du in deinen Teppich ein Loch gebrannt hast.«
    »Ich habe das Gefühl, daß ich es tun sollte«, widersprach er mir. »Nüchtern betrachtet ist das alles einfach erschreckend.«
    »Die meisten anständigen Männer in einem Vorortezug würden nicht eine Sekunde länger darüber nachdenken.«
    »Aber es würde meiner Karriere schaden. Wenn die Sache nun in die Zeitung kommt?«
    »Warum sollte sie das?«
    »Das Mädchen könnte sich an mich erinnern.«
    »Eine Kassiererin erinnert sich auch nicht an jeden Kunden.«
    Er fügte unbehaglich hinzu: »Vielleicht habe ich irgendwie erwähnt, daß ich Abgeordneter bin. Wie doch die Frauen Narren aus uns allen machen!«
    Ich bemerkte: »Die Regale der öffentlichen Büchereien wären sonst halb leer.«
    »Wenn die Leute erfahren, daß ich sofort einen Psychiater aufgesucht habe«, überlegte Jim laut, »dann würde der Vorfall vielleicht wie eine geistige Verirrung aussehen, von der ich mich eiligst kurieren ließ, zum Wohle meiner Wähler, denen ich mich verpflichtet fühle.«
    Schweigen trat ein.
    »Dieser Lagavulin ist doch einer der besten Malzwhiskys«, erkärte ich und hob anerkennend das Glas.
    Er warf mir einen kurzen Blick zu. »Letzte Woche dachte ich daran, mich umzubringen.«
    »Ja?«
    Eine Selbstmorddrohung nach einem fröhlichen Intermezzo mit einem leichten Mädchen war wirklich ein schlechtes Omen.
    »Davon weiß Charlotte übrigens nichts.«
    Ich überweise meine Patienten nicht so ohne weiteres an Psychiater, die sie womöglich auf eine lange Reise ins Nichts schicken. Meine Kollegen wenden sich oft gern an sie, um lästige Patienten loszuwerden. Früher, als mein Vater noch praktizierte, in den Zeiten, in denen man noch Zeit hatte, empfahl er statt dessen eine lange Kreuzfahrt.
    »Jetzt eine Überdosis zu nehmen, sähe ziemlich lächerlich aus. Aber es ist erschreckend, daß ich überhaupt mit dem Gedanken gespielt habe. Und ich muß ganz einfach fit sein, geistig und körperlich, nun da ich begonnen habe, mich die glitschige Kletterstange emporzuquälen.«
    Jim war ein verkrampfter, besessener Mensch, der sich um alles Sorgen machte und in dessen Karriere der eigene Egoismus keine geringe Rolle spielte. Vielleicht würde ihm ein Psychiater guttun? Vielleicht wäre ein weiteres Clubmädchen noch besser?
    »Wenn es dich glücklich macht, werde ich für dich einen Termin bei Doktor Elmsworthy vereinbaren«, erklärte ich, halbherzig einverstanden.
    Jim schien erfreut. Obwohl ich das Gefühl hatte, hauptsächlich deshalb, weil er seine Meinung durchgesetzt hatte. »Wo steht seine Couch?«
    »Die Psychiatrie findet nur in Comics in der Horizontalen statt. Elmsworthy hat seine Praxisräume auf der Privatstation des Allgemeinen Krankenhauses, die, wie dir aufgefallen sein muß, als Charlotte das Kind bekam, baufällig, überfüllt und der Gewerkschaft der Krankenhausangestellten höchst verdächtig ist.«
    Seine glanzlosen Politikeraugen leuchteten auf, wie die Augen eines Seemanns in einem Rettungsboot, der sich der Gesetze der Navigation entsinnt.
    »Churchford braucht eine funkelnagelneue Privatklinik. Ich werde mich dafür einsetzen, sobald diese abscheuliche Angelegenheit vorbei ist. Ein bewundernswerter Kreuzzug für einen lokalen
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