Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer aaahh sagt...

Wer aaahh sagt...

Titel: Wer aaahh sagt...
Autoren: Richard Gordon
Vom Netzwerk:
natürlich ein bezahltes Amt«, fügte er feierlich hinzu.
     

3
     
     
    Als mich Jim mehr als ein Jahr später, an diesem Freitag im April, telefonisch zu sich bat, wurde ich von einem skandinavischen Kindermädchen in braunem Kleid und mit schokoladenbrauner Schleife im Haar eingelassen. Letzten Mai hatte ich die Geburt des Stammhalters auf der Privatstation des Churchforder Allgemeinen Krankenhauses, unter Mitwirkung unseres angesehensten Gynäkologen, Bertie Taverill, organisiert, dessen Sohn Peter, ebenfalls Frauenarzt, das Glück zuteil werden sollte, noch in diesem Sommer meine Tochter Jilly zu heiraten.
    Jim und Charlotte saßen auf dem Chintzsofa. Sie begrüßte mich kurz und ging hinaus. Jim erhob sich und trat an den Kamin.
    »Ich bin gestern abend in London in Schwierigkeiten geraten«, verkündete er.
    Ich rückte meine Brille zurecht.
    Er lachte kurz auf. »Keine Angst, Richard, ich wurde nicht verhaftet. Und es war rein heterosexuell.«
    Ich war verwirrt.
    Sollte ich ihn beglückwünschen?
    »Ich hatte eine fürchterliche Woche hinter mir.«
    Er stand da und betrachtete seine Fußspitzen.
    »Das Leben eines Abgeordneten ist verdammt abnormal. Alles findet abends statt. Man ist im Unterhaus gefangen. Abstimmungen, andauernd wird über irgend etwas abgestimmt.«
    Er schwieg, starrte in die Ecke und murmelte dann: »Dieses stinkende, dunkelbraune Männerparadies, wie
    es der Abgeordnete Chipps Channon einmal nannte. Man kommt sich vor wie auf einem Passagierschiff ohne bestimmtes Reiseziel, auf dem die Bar rund um die Uhr geöffnet ist. Ich glaube, viele Abgeordnete mögen es insgeheim. Es hat einen gewissen Reiz, zu arbeiten, während die anderen schlafen - wie in einem Krankenhaus. Der Entwurf zum Arbeitskräftegesetz, hast du darüber in der Zeitung gelesen?«
    Ich nickte.
    »Wir haben hart zu kämpfen, um ihn durchs Parlament zu bringen. Die Betbrüder scheinen sich mit den Fanatikern verbündet zu haben.« Er schauderte. »Du weißt, daß ich seit Januar Parlamentarischer Sekretär des Energieministers bin?«
    Ich nickte wieder. Dieser Posten war für einen Abgeordneten, der ehrgeiziger als alle anderen, aber erst kurz im Amt war, von unschätzbarem, wenn auch nicht materiellem Wert. Jims Vorgänger war bei einem Autounfall ums Leben gekommen, sehr zum Ärger des Premierministers, weil dies eine unangenehme Nachwahl notwendig gemacht hatte.
    »Ich bedaure das Ganze, genau wie der Minister. Wie kann ich einem Mann gegenüber freudige Loyalität an den Tag legen, dessen Handlungen von Unfähigkeit statt von Geist zeugen?« fragte er bitter. »Gestern abend ging es mir furchtbar schlecht. Nichts war so gelaufen, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ich gab ein Essen für die Presseleute im Unterhaus. Die Fleet Street-Leute sind ein lustiges Volk. Ich glaube, ich war ziemlich betrunken. >Alkohol bringt einen Abgeordneten dazu, um elf Uhr abends Dinge zu tun, die kein normaler Mensch um elf Uhr morgens tun würde.< Shaw. Du erinnerst dich?« Er lächelte kläglich. »Ich verließ Westminster so gegen elf. Es war mal wieder so ein Abend, an dem man kein Taxi bekommt. Ich begann die Whitehall Street hinaufzulaufen. Ehrlich gesagt, ich hatte es nicht besonders eilig, nach Hause zu kommen. Seit fast zwei Wochen war ich allein in dieser Wohnung in Marylebone gewesen. Charlotte hat einen Haufen Funktionen hier in Churchford und sitzt in zahllosen Komitees. Für meine Karriere ist es sehr wichtig, daß sie hier im Ort einen Namen hat. Und dann ist da natürlich das Kind«, fügte er hinzu, als wäre ihm nachträglich etwas eingefallen.
    »Alles gesund und munter, nehme ich an?«
    »Oh, ja. Irgendwie war ich auf einmal in Soho.«
    Er hielt inne, als staunte er über sich selbst.
    »Ich sah diese Bar, diesen Club, nur ein Hauseingang mit einer Leuchtreklame. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie er hieß, El... - irgendwas. Ich ging hinein.« Er lachte ungläubig auf. »Teils, weil ich neugierig war, teils, weil ich die leere Wohnung nicht mehr ertragen konnte. Und dann auch, weil ich etwas weniger Deprimierendes als Abgeordnetenbänke sehen wollte. Man mußte nur zahlen, und schon war man Mitglied; viel einfacher als im Boodle’s Club in St. James. Ich gab einen falschen Namen an: Donald Duck. Der Mann schien nicht verärgert. Vielleicht nennen sich viele Club-Mitglieder so. Was zu trinken, Richard?«
    Er schenkte mir einen Whisky ein.
    »Drinnen war alles rosa, stickig und furchtbar laut. Die Art Musik, wie sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher